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Arzneien nach Maß

Im Labor der Pfungstädter Firma Humatrix lässt die Bad Vilbeler Stada Diagnostik ihre Gentests für eine personalisierte Medizin auswerten. Fotos/Repros: Deul
Im Labor der Pfungstädter Firma Humatrix lässt die Bad Vilbeler Stada Diagnostik ihre Gentests für eine personalisierte Medizin auswerten. Fotos/Repros: Deul

Medikamente, deren Wirksamkeit für einen bestimmten Patienten gezielt geprüft werden können, dafür bietet das Bad Vilbeler Pharma-Unternehmen Stada DNA-Tests an. Über die Blutanalyse lässt sich im Labor erkennen, ob die Wirkstoffe auch wirklich wie gewünscht greifen. Doch noch werden die mehrere hundert Euro teuren Tests von vielen gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet.

Lothar Guske, verantwortlicher Geschäftsführer der Stada Diagnostik.
Lothar Guske, verantwortlicher Geschäftsführer der Stada Diagnostik.

Bad Vilbel. Die Revolution ist unscheinbar. In der Verpackung der neuen Stada-Diagnostik-Sets befindet sich eine schlichte Plastikröhre, wie sie standardmäßig mit Blutproben ins Labor geschickt wird. Doch der Aufwand dahinter ist immens und wird von dem zuständigen Geschäftsführer Lothar Guske nicht näher beziffert. Das Bad Vilbeler Unternehmen hat als Partner für die Entwicklung und Analyse der Tests das Pfungstädter Biotechnologie-Unternehmen Humatrix an der Seite. Dort habe man schon vor zehn bis zwölf Jahren mit der Vorbereitung der neuen Diagnosemethode begonnen.

Im Juni 2000 hatte der damalige US-Präsident Bill Clinton zusammen mit den Forscher-Rivalen Craig Venter und Francis Collins die Entzifferung des Genoms, des menschlichen Erbgutes, verkündet und sprach von einer „immensen, neuen Macht, zu heilen“ oder zumindest vielen Patienten lange Zeiten der Ungewissheit und auch Nebenwirkungen zu ersparen.

Diagnostik-Set

Guske erläutert Letzteres am Beispiel der Wirkstoffgruppe der Statine, die den Cholesterinspiegel senken. Sieben unterschiedliche Wirkstoffe gibt es davon in Deutschland. Wird der falsche genommen, könne dieser abhängig von der individuellen Veranlagung eines Menschen schlechter verstoffwechselt werden als im Beipackzettel beschrieben und als Nebenwirkung Muskelschmerzen auslösen. Die Auswertung des Stada-DNA-Tests könne hingegen bereits im Vorfeld zeigen, auf welchen Wirkstoff der einzelne Patient am besten anspricht.

Das Diagnostik-Set ist nicht für den Selbstanwender gedacht. Der Patient kauft das Set zwar in der Apotheke, der behandelnde Arzt schickt die Röhre dann aber nach der Blutabnahme ins Humatrix-Labor x nach Pfungstadt. Dort wird die eigentliche Arbeit geleistet.

Das Biotechnologie-Unternehmen hat in jahrelanger Vorbereitung die internationalen klinischen Forschungsergebnisse gesammelt und aufbereitet. Auf dieser Datenbasis lasse sich je nach Wirkstoff ermitteln, welcher mit dem individuellen Enzym der Patienten am besten harmoniere oder welche Dosierung die gewünschte Wirkung bei möglichst geringen Nebenwirkungen erzielt.

Diese Tätigkeit der Enzyme sei unveränderlich, ein einmaliger Test genüge. „Personalisierte Medizin“ oder „personalisierte Arzneimitteltherapie“ heißt diese Entwicklung, die die gezielte Abstimmung der Medikamentenwahl auf einen einzelnen Patienten zum Ziel hat.

Die Empfehlungen werden von Humatrix dann wieder an den Arzt übermittelt, Stada selbst, betont Guske, sammele keinerlei Patientendaten. Das Gesetz zur Gendiagnostik habe da „einen hohen ethischen Standard geschaffen“.

Ein weiteres Beispiel für die Anwendung seien die Antidepressiva, so Guske. 16 unterschiedliche Wirkstoffe werden getestet. Der Arzt greife in der Hälfte der Fälle zur „Leitsubstanz“, die aber bei den Patienten sehr unterschiedlich aufgenommen werde. „Die Nebenwirkungen spüren sie schnell, aber die Wirkungen zeigen sich erst nach drei bis vier Wochen“, erläutert er. Und bis der Wirkstoff vollständig im Körper abgebaut ist, dauere es weitere Wochen, ohne dass sich an der Situation des Patienten etwas bessert. Diese Unsicherheit soll die 395 Euro teure Diagnostik verhindern, da der Test gleich zu Beginn der Therapie zeigen kann, auf welchen der 16 getesteten Wirkstoffe – die in Deutschland am häufigsten verordnet werden – der Patient am besten anspricht. Die meisten privaten Kassen übernähmen die Kosten, gesetzliche Kassen zurzeit oft aber nur auf dem Kulanzweg, räumt Guske ein. Das sei aber nachvollziehbar, weil die Methode noch neu sei und zudem kein Therapiemittel ist. Lediglich bei der Krebstherapie seien DNA-Wirkstofftests bereits für die Zulassung eines Medikaments vorgeschrieben. Die kosteten mehrere tausend Euro – und die Therapien sechsstellige Beträge.