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Fit im Unruhestand

Gerhard Finger übt mit den Kindern die perfekte Sprungtechnik am Schwebebalken. Offiziell ist er seit zehn Jahren im verdienten Ruhestand.Fotos: Dieter Deul
Gerhard Finger übt mit den Kindern die perfekte Sprungtechnik am Schwebebalken. Offiziell ist er seit zehn Jahren im verdienten Ruhestand.Fotos: Dieter Deul

Fitness ist für Gerhard Finger keine Frage des Alters. Er trainiert noch immer den Turnnachwuchs des TV.

Gerhard Finger - nicht auf, aber am Schwebebalken.
Gerhard Finger – nicht auf, aber am Schwebebalken.

Bad Vilbel. „Was für’n Fuß soll denn vorne sein?“, fragt Gerhard Finger das Mädchen, das gerade etwas ratlos auf dem Barren in der Turnhalle des TV Bad Vilbel sitzt. „Und mutig!“, ruft er ihr zu, während sie sich streckt – „Popo hoch – und Rolle!“ Mit väterlicher Geduld, aber auch Ehrgeiz hat das Urgestein des TV wieder eine Übung erfolgreich angeleitet. „Leistungsbezogenes Geräteturnen“ steht auf dem Trainingsplan.

Dabei ist Finger bereits 2004 auf der Weihnachtsgala seines Vereins feierlich verabschiedet worden – nach 37 Jahren als hauptamtlicher Vereinstrainer. Damals wurde er mit der Ehrennadel des Landessportbundes ausgezeichnet. „Ich sag’ immer, ich will aufhören, sucht jemand anders – aber sie finden niemand“, meint er lapidar.

Trainer gesucht

Übungsleiter zu finden, sei in allen Vereinen ein Problem. Gerade sei man mit einer Turnerin im Gespräch, die Sport studieren will, „aber man weiß nicht, ob sie dann nach dem Studium wegzieht“.

Eine Belastung ist ihm das Trainerleben jedoch nicht, betont Finger. Sport, das sei auch sein Hobby, sagt er – sein Großvater Karl Hirschmann sei bereits Begründer des Turnvereins Massenheim gewesen. Doch Finger schlug zunächst eine andere Laufbahn ein, wurde Schriftgießer, bevor er sein Sport-Studium absolvierte. 1967 ging er zum TV Bad Vilbel. Von 1969 bis 1974 gab er auch Sportunterricht an der John-F.-Kennedy-Schule.

Im Februar 2010 erhielt Finger die Ehrennadel der Stadt Bad Vilbel in Silber. „Sie haben nicht nur Ideen gehabt, sondern sich auch als begabter Organisator erwiesen. Fantasie und Hartnäckigkeit haben bei Ihnen zusammen gewirkt, um den TV und den Sport in unserer Stadt voranzubringen. Ihre Fähigkeit, Menschen zu überzeugen und zu motivieren und Ihr unermüdlicher Einsatz haben dazu beigetragen“, lobte Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU).

„Früher hab’ ich gedacht, mit 70 steh’ ich nicht mehr in der Halle“, gibt Finger zu. Die Abnahme des Sportabzeichens hat er erst seit diesem Jahr in andere Hände gelegt. Weiterhin ist er aber montags und freitags von 15.30 bis 20 Uhr fürs Geräteturnen der 30 Mädchen von sechs bis 20 Jahren zuständig. In drei Gruppen trainieren sie zwei Mal die Woche. Früher, erinnert er sich, waren es noch drei Trainingstermine in der Woche, aber dazu fehle den Kindern und Jugendlichen heute Zeit und Lust.

Doch trotz der immer längeren Schultage gibt es beim TV keine Nachwuchssorgen. Es könnten mehr Kurse angeboten werden – wenn es genügend Übungsleiter gebe. Finger ist froh, dass ihm seine Frau Adda beim Training zur Seite steht. Vorturnen möchte er nicht mehr, auch weil sich Knie und Hüfte unangenehm bemerkbar machten, „aber man muss es gut erklären können“, sagt er. Fit hält sich Finger durch Fahrrad fahren, er geht auch zwei Mal in der Woche zu einem Geräte-Training in einer Physiotherapiepraxis.

Spaß gehört dazu

Motivation ist ihm auch als Trainer wichtig, „wir machen nicht nur Purzelbaum“, betont Finger und deutet auf Siegerurkunden an der Wand hinter sich. Einen zweiten und einen sechsten Platz errangen TV-Turnerinnen dieses Jahr bei den Gau-Meisterschaften in Frankfurt, die P4/5-Mannschaft wurde Gaumeister. Im Gegensatz zur Leichtathletik, wo es nur ums weit laufen gehe, gebe es beim Geräteturnen „viele Kleinigkeiten, die erarbeitet werden müssen: Boden, Schwebebalken, Stufenbarren und Sprung“.

Dennoch weiß Finger, dass auch der Spaß dazugehört – seine Enkeltochter Frieda trainiert an diesem Nachmittag auch mit. Aber auch in höherem Alter gibt es keine Entschuldigung fürs Zuhausebleiben. „Der TV bietet auch Seniorengymnastik an“. Nicht Leistung zählt da, sondern Fitness, „das ist wie beim Sportabzeichen, jeder macht das, was er kann“, meint Finger.