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Ballern auf Kormorane! – Schwere Zeiten für „Fischkiller“ an den Altarmen der Nidda und in Harheim • Kritik aus Bad Vilbel

Bad Vilbel. „Stinksauer“ ist der Vilbeler Gewässerökologe und Sportangler Gottfried Lehr über das „unprofessionelle Gehabe selbst ernannter Hobby-Ökologen“, die in Frankfurt den Kormoran zum Abschuss frei gegeben haben. An den Altarmen der Nidda und in Harheim seien mindestens schon 14 Tiere getötet worden.

Obwohl es „naturwissenschaftliches Grundwissen“ wäre, dass der Abschuss nicht geeignet sei, den Kormoran dauerhaft aus einem Gebiet fernzuhalten. Denn die Population fülle sich immer wieder auf. Lehr räumt ein, dass es Gewässerabschnitte gibt, in denen der Vogel, der sich ausschließlich von Fischen ernährt, große Schäden anrichten kann. „Genau dort hin scheuchen ihn die Frankfurter, wenn sie in Nied auf ihn ballern“, fürchtet Lehr und sagt seinen „Anglerfreunden“, den Jägern und Naturschützern der Nachbarstadt „vielen Dank für diese Weitsicht“.

Die Interessengemeinschaft Nidda (IG), zu der sich 16 Angelvereine entlang des Flusses von Bad Vilbel bis hinauf nach Florstadt zusammengeschlossen haben, setzt dem martialischen Abschießen der Vögel einen intelligenten Kormoran-Management-Plan entgegen, erklärt Vorsitzender Rjurik Nentwig. Um diesen zu erarbeiten und umzusetzen, hat sich vor zwei Wochen eine „Arbeitsgruppe Kormoran Wetteraukreis“ (AKW) gebildet, in der auch der Naturschutz-Bund, die Naturschutzbehörde, ein wissenschaftlicher Beirat und die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland mitarbeiten.

„Wir schließen den Abschuss des Kormorans nicht grundsätzlich aus. Aber er ist als allerletzte Maßnahme eingebettet in ein Gesamtkonzept mit einer Vielzahl unterschiedlichster Handlungsmöglichkeiten“, betont Klaus Richarz, Leiter der Vogelschutzwarte. Wenn etwa der Bestand einer Fischart oder eines Fischereibetriebs gefährdet sei, könne der Abschuss eine Lösung sein. Die Argumentation aus Frankfurt, wonach der Kormoran die positiven Wirkungen von Renaturierungsmaßnahmen zunichte mache, ist für Lehr „das Dümmste, was ich lange Zeit gehört habe“. Seit den achtziger Jahren sei die Zahl der Fischarten in der Nidda von 15 auf 28 angestiegen. „Trotz des Kormorans!“ Der Grund sei die Verbesserung der Gewässerqualität und die Beseitigung von Stauwehren durch Renaturierungen. Der wieder erlangte Fischreichtum sei gerade der Grund, dass der Kormoran die Nidda schätzt. Es sei ein Naturgesetz, dass sich die Population einer Tierart durch das Beuteangebot reguliert, so Richarz. Pech des Kormorans, dass er als reiner Fischfresser in Konkurrenz zum Menschen tritt.

Versuche, ihn durch Abschuss zu vergrämen, bewirkten eher das Gegenteil, weil die Tiere versprengt würden. Aus 18 Schlafplätzen in Hessen seien auf diese Weise mittlerweile 52 geworden. „Dem Vogel auf Gewässern, an denen er unproblematisch ist, einen Lebensraum zu geben und sicher zu stellen, dass er außerhalb, gerade in sensiblen Bereichen der Fischer, nicht zu viel Schaden anrichtet“ – so beschreibt Lehr die Ziele eines wirksamen Kormoran-Managements. Denn Jäger sollten wissen, dass sich auch „Probleme mit Fuchs und Wildsau nicht durch Bejagung in den Griff bekommen lassen“. Er wirft auch Anglern eine Doppelmoral vor. „Der Artenschutz wird als Argument missbraucht, damit sie mehr Fische aus ihren Tümpeln ziehen können.“ Dabei sage niemand etwas gegen Raubfische wie Hecht, Waller oder Wels, die sogar noch eingesetzt würden. Nentwig macht die intensive Angelteichbewirtschaftung für die Probleme mitverantwortlich: „Keine Bodenpflanzen und viel zu viel Besatz: Einen reicher gedeckten Tisch kann ein Kormoran nicht finden.“ Wenn dieser Vogel abgeschossen wird, dann fragt Lehr nach dem Schicksal weiterer Fischfresser, etwa des Graureihers oder des Eisvogels, aber auch des Minks und des Fischotters.