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Bürger sollen bezahlen

RP fordert höhere Steuern und neue Straßenbeiträge, trotz Überschuss

Die Anwohner in der Lohgasse in Klein-Karben wären wohl die ersten, die zahlen müssten: Geht es nach dem Regierungspräsidium, soll die Stadt Karben Straßenbeiträge einführen fürs Sanieren kaputter Asphaltpisten und die kommunalen Steuern erhöhen. Foto: den
Die Anwohner in der Lohgasse in Klein-Karben wären wohl die ersten, die zahlen müssten: Geht es nach dem Regierungspräsidium, soll die Stadt Karben Straßenbeiträge einführen fürs Sanieren kaputter Asphaltpisten und die kommunalen Steuern erhöhen. Foto: den

Verkehrte Welt in Karben: Die Stadt soll Steuern er- höhen, fordert das Regie- rungspräsidium – und das, obwohl die Kommune ein merkbares Plus erwirtschaftet. Die Politiker sind sauer.

Karben. Es ist eine große, gemeinschaftliche Anstrengung gewesen: Jeder in Karben hat in den vergangenen Jahren tiefer in die Tasche greifen müssen. Überall wurden Steuern, Gebühren, Eintritte ein wenig teurer, viele Zuschüsse leicht abgeschmolzen. Von den Kitas bis hin zu Hallenfreizeitbad und einigen Vereinen.

Das große Ziel: Karben sollte wieder im Plus wirtschaften und von seinem enormen 60-Millionen-Euro Schuldenberg herunterkommen. 16 Millionen davon übernahm das Land Hessen 2013 – und im Gegenzug hat sich die Stadt verpflichtet, ihre Finanzen wieder ins Lot zu bekommen. Den Deal des Kommunalen Schutzschirms legte die Karbener Politik recht einmütig auf die Schultern aller Bürgern: Jeder sollte eine kleine Last tragen, aber keiner überfordert sein.

Schuldenstand sinkt

Das Ergebnis für die Kommune inklusive Tochtergesellschaften kann sich sehen lassen:

2002 hatte die Stadt Verbindlichkeiten in Höhe von 44 Mio.Euro.

2005 folgte der Schulden-Höhepunkt: Gut 59 Millionen Euro.

2012 kletterte der Schuldenstand auf seinen zweithöchsten Stand: Fast 58 Millionen Euro.

seitdem geht es rapide abwärts: gut 46 Millionen Euro waren es Anfang 2016 und nur noch gut 44 Millionen Euro Anfang 2017, also gerade einmal so viel wie 2002.

Nun könnten sich die Karbener auf die Schultern klopfen für diese Leistung. Doch das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt sieht das anders: Für Karben bestehe weiterhin die Notwendigkeit zum Sparen, erklären die Finanzkontrolleure aus der Behörde von Brigitte Lindscheid (Grüne). Deshalb solle die Stadt die Steuern auf landesweite Durchschnittssätze anheben und Straßenbeiträge kassieren. Gerade gegen Straßenbeiträge, die Anlieger zahlen müssen, wenn eine kommunale Asphaltpiste saniert wird, gibt es breiten Widerstand im Parlament.

Eine Klage der Stadt liegt schon in zweiter Instanz beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Die Politiker wollen den Bürgern hohe Zahlungen ersparen. Vor allem geht es ihnen um Gerechtigkeit: Da in der Vergangenheit Straßensanierungen aus dem Stadtsäckel und damit von allen Steuerzahlern getragen wurden, wollen sie es nicht künftig nur den einzelnen Betroffenen aufhalsen.

Und dass Karben den Gewerbesteuersatz unter dem Landesdurchschnitt belässt, finden die regierende CDU sowie Freie Wähler und FDP richtig. Allerdings fordert die Opposition – allen voran die SPD – Jahr für Jahr eine Anhebung der Abgabe für Firmen.

Die Forderung aus Darmstadt sorgt deshalb für Kopfschütteln: Als „sehr interessant“ bewertet Bürgermeister Guido Rahn (CDU) die Vorgabe zu Steuererhöhungen „bei einem Überschuss von einer Viertelmillion Euro“. Er fragt sich: „Wie sollen wir da den Bürgern erklären, dass wir Steuern erhöhen?“ Da die Stadt ordentlich wirtschafte – und zwar auch auf lange Sicht – ,wehrt sich Rahn gegen diesen Eingriff in dieses Recht auf Selbstverwaltung der Stadt. Deutlich gegen Steuererhöhungen spricht sich CDU-Fraktionschef Mario Beck aus: „Mit uns nicht!“

Dank des sparsamen und effizienten Wirtschaftens habe das Regierungspräsidium den Haushalt fürs laufende Jahr ja auch ohne höhere Steuern genehmigt. Drehe die Stadt an der Steuerschraube, würde vor allem die Grundsteuer steigen. Und das sei kontraproduktiv für das Ziel, Wohnraum bezahlbar zu halten, mahnt Beck. Denn die höhere Grundsteuer müssten am Ende auch alle Mieter zahlen. (den)