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Zahlen bringen Ärger

Burg-Gräfenröder Kirchenvorstand bereitet den Verkauf der Oberburg vor

Dunkle Wolken über der Oberburg: Der Verkauf des historischen Gebäudes spaltet den Stadtteil. Fotos: Kötter
Dunkle Wolken über der Oberburg: Der Verkauf des historischen Gebäudes spaltet den Stadtteil. Fotos: Kötter

Die Oberburg in Burg-Gräfenrode soll den Besitzer wechseln: In der Gemeindeversammlung haben die neuen Zahlen rund um den Verkauf erneut für hitzige Diskussionen gesorgt.

 

Karben. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. 44 500 Euro laufende Kosten jährlich, 26 500 Euro Einnahmen durch Vermietung und Zuweisungen der Landeskirche – macht ein jährliches Defizit von 18 000 Euro. Selbst wenn die Kirche die noch in ihrem Besitz befindliche Oberburg grundsanieren würde – in einem ersten Schritt würden die Basisarbeiten mit 297 500 Euro zu Buche schlagen –, sieht der Kirchenvorstand der Gemeinde aufgrund dieser Zahlen keine Möglichkeit, das historische Gebäude zu halten.

Mit den neu präsentierten Zahlen hat Ina Lauster-Ulrich in der kürzlich stattgefundenen Gemeindeversammlung einmal mehr die Entscheidung des Kirchenvorstands klargemacht. Der sieht sich gezwungen, die Oberburg zu verkaufen. Laut einer Berechnung des Architekten Roland Trägner würde die Instandhaltung der Oberburg über einen Zeitraum von 30 Jahren die Summe von rund 1,2 Millionen Euro beanspruchen, sagte Lauster-Ulrich. Zahlen, wie sie in der vorherigen Versammlung explizit von den Roggauern gefordert wurden, konnte sie nun auch zum Thema Wert vorlegen: Laut einem neuen Gutachten beträgt der Verkehrswert der Oberburg 590 000 Euro.

Ausgaben
hochgerechnet

Diese Zahlen haben gezeigt, dass das Thema weiterhin emotional aufgeladen ist. Im Stadtteil hat sich Widerstand gebildet, die entsprechende Unterschriftenliste gegen den Verkauf der Oberburg wurde an die Kirchenvertreter übergeben. In einer erneut teils hitzigen Debatte wurde der Vorwurf laut, die nötigen Ausgaben würden ungleich in die Höhe gerechnet, während die Einnahmen gering gehalten würden – jedoch möglicherweise finanzielle Mittel für den Denkmalschutz fließen könnten. Die Zahlen seien so zusammengestellt, dass die Differenz möglichst hoch ausfalle.

Und auch der Verkaufswert sorgte für Unmut und Spekulationen: So betont ein Roggauer, dass für vergleichbare Gebäude und Areale in anderen Ländern mehr als eine Million Euro gezahlt würden, während eine andere Anwesende daran erinnerte, dass der Verkauf nur mit einer – sicherlich den Wert senkenden – Einschränkung verknüpft werde: Das Gelände soll weiter öffentlich zugänglich bleiben. Und auch an einer konkreten Zahl entzündet sich neuer Ärger: Rund 5000 Euro seien für die bisherige Arbeit des Architekten gezahlt worden, sagte Lauster-Ulrich auf eine Frage aus der voll besetzten Kirche. Auch wenn sich das Gehalt an einer festen Gebührenordnung orientiert, kritisierten Anwesende die Summe.

Noch weitere
Kaufinteressenten

An der Entscheidung des Kirchenvorstands, zu verkaufen, hat der erneute Schlagabtausch nicht gerüttelt. Die Gemeindeversammlung kann zwar Bedenken, Wünsche und Bitten einbringen, die Entscheidung über den Verkauf liegt jedoch allein beim Gremium des Kirchenvorstands – und der hat einen entsprechenden Beschluss bereits vor Wochen getroffen. Die Landeskirche stärkte der Truppe um Lauster-Ulrich dabei den Rücken: Der Größe der Kirchengemeinde – nur rund 500 der 1500 Roggauer sind Mitglied – folgend, stehen der Gemeinde laut Regularien 40 Quadratmeter zu, rechnet Markus Keller, Vorsitzender der Liegenschaftsabteilung der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, vor.

Auch aus Sicht der Landeskirche sei der Verkauf daher „die richtige Entscheidung“. Keller und seine Liegenschaftsabteilung sollen nun tätig werden: Sie werden den Verkauf offiziell ausschreiben und ein entsprechendes Inserat online einstellen.

Außer bislang drei potenziellen Interessenten – einer davon Philipp Freiherr von Leonhardi – sollen so auch weitere Kaufinteressenten die Möglichkeit bekommen, sich mit Angeboten zu beteiligen. Laut Lauster-Ulrich hoffe der Kirchenvorstand, dass die Anzeige noch im September online geht.

Dass die Stadt dabei als Käufer nicht nur des Geländes, sondern der Oberburg selbst auftreten könnte, diesem Vorstoß erteilt Bürgermeister Guido Rahn (CDU) übrigens eine klare Absage. Zwar liege der Stadt viel daran, das Gelände weiter der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – „und zwar nicht nur für zwei oder drei Jahre, sondern langfristig“ –, Roggau bevorzugen könne er jedoch nicht.

Auch Rahn argumentierte – neben der Gleichberechtigung mit anderen Stadtteilen und ihren historischen Gebäuden – mit Zahlen: Mit unter anderem einem neuem Feuerwehrhaus und einer Trauerhalle würden in den kommenden Jahren bereits mehr als drei Millionen Euro in Burg-Gräfenrode investiert, sagte er.