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Busse in Warteschleife

Stadt Karben hat Linie 73 nach Petterweil stark gekürzt – das bringt Betreiber in Nöte

Posse in Petterweil: Kaum ist der X27 durch, kommt der 73er aus Rodheim. Die Fahrgäste müssen 30 Minuten warten. Foto: den
Posse in Petterweil: Kaum ist der X27 durch, kommt der 73er aus Rodheim. Die Fahrgäste müssen 30 Minuten warten. Foto: den

Die Kürzungen beim Stadtbus Karben haben Folgen – ein wenig für die Fahrgäste, ganz massiv für den Betreiber Eberwein: Er verliert fast die Hälfte der Fahrten nach Petterweil. Für den Omnibusbetrieb aus Burg-Gräfenrode ist das existenzbedrohend.

Karben. Winken, ein Pfeifen, doch der Bus stoppt nicht. „Leerfahrt“ zeigt die Zielanzeige in der Sauerbornstraße. Bibbernd stehen die Fahrgäste an der Haltestelle in Petterweil. Ihr Bus, die Linie X27 zum Bahnhof Groß-Karben, kommt wohl mal wieder nicht oder später. Kein Wunder in Streikzeiten.

Dass aber ein Karbener Stadtbus leer vorbeifährt und die Fahrgäste nicht mitnimmt, dass lässt den Ärger bei den Wartenden hochkochen. „Das kann ich ja gut verstehen“, sagt Ingeborg Strehl, die Chefin des Omnibusbetriebs Eberwein aus Burg-Gräfenrode.

Doch dass „ihre“ Stadtbusse der Linie 73 nur noch alle 60 Minuten zwischen Petterweil und dem Bahnhof Groß-Karben pendeln, dafür kann sie nichts. Im Gegenteil: „Unsere Fahrer dürfen die Fahrgäste gar nicht mitnehmen in einem solchen Fall, schon aus Versicherungsgründen“, sagt Strehl.

Die Situation ist bizarr: Nicht selten ist der X27-Bus verspätet dran. Während des Busfahrerstreiks fielen immer wieder Verbindungen aus. Fast zeitgleich rollen oft Stadtbusse leer an den wartenden Fahrgästen vorbei – quasi pünktlich. Mitfahren dürfen die Petterweiler dennoch nicht.

Fahrer sitzen Zeit ab

Entschieden hat das im vergangenen Jahr das Stadtparlament auf Vorschlag der Grünen. Anstatt dass jeder zweite Bus der Linie 73 wenige Minuten hinter einem der Schnellbuslinie Königstein–Karben hinterherfährt, sollten diese Doppelfahrten entfallen. Petterweil und der S-Bahnhof sind zwar weiter im 30-Minuten-Takt verbunden. Nun fahren abwechselnd einmal ein 73er-Bus und einmal ein X27er. Was die Linien unterscheidet, scheint die Zuverlässigkeit zu sein. Und während die Stadtbusse bis zur Endhaltestelle Friedhof fahren, halten die Schnellbusse nur zweimal im Ort.

So haben die Anwohner im Nordwesten Petterweils eine schlechtere Nahverkehrsanbindung. Statt zwei, drei Minuten laufen sie nun bis zu zwölf Minuten weit bis zum Bus. Nennenswerte Beschwerden gebe es nicht, sagt Bürgermeister Guido Rahn (CDU). Er spricht von nur einer aus dem Neubaugebiet Alter Sportplatz – direkt an der Haltestelle Friedhof. Von mehreren Beschwerden berichtet Ingeborg Strehl. Die Fahrgäste riefen bei Eberwein an, „wie schon immer“.

Das gelte auch bei Beschwerden über die Buslinie X27. „Für die sind wir aber nicht zuständig.“ Anrufer verweise sie dann an die Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) nach Friedberg. Die Linie X27 wird seit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember von der Bahn-Tochter DB Busverkehr Hessen (BVH) in Gießen betrieben.

Für die alteingesessene Firma Eberwein bedeuten die Streichungen eine existenzielle Gefahr. Werktags fällt jede zweite Petterweil-Fahrt aus. „Samstags ist die Linie 73 nach Petterweil sogar komplett gestrichen“, seufzt Ingeborg Strehl.

Folge davon sind die für die Fahrgäste verwirrenden Leerfahrten. „Einige Fahrer fahren zurück nach Karben“, erklärt die Busbetriebs-Inhaberin. Andere machten an der Endstation Friedhof lange Pausen.

So wie jener Fahrer (32), der gerade dort parkt, seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen mag. „Ich stehe hier zweimal am Tag für 45 Minuten und dreimal eine halbe Stunde.“ Macht zusammen fast drei Stunden Pause. „Dann lese ich mit dem Handy ein bisschen im Internet oder schlafe eine Runde“, erklärt der Fahrer. Bei schönem Wetter mache er auch Spaziergänge.

Kalkulation ist obsolet

Für seinen Arbeitgeber ein teures Vergnügen: Für Leerfahrten oder wartende Fahrer erhält die Firma „keine müde Mark“, sagt Ingeborg Strehl. Um die 6000 Euro Umsatz fehlten jeden Monat, rechnet Juniorchef Martin Strehl vor. Eine Gefahr für den kleinen Betrieb? „Das wird sich im Lauf des Jahres zeigen“, sagt er. „Unsere Kalkulation funktioniert nicht mehr.“

Das liegt daran, dass Eberweins ein Gebot für den Betrieb auf Basis der bisherigen Verkehrleistung gegeben hatten. Die Karbener bekamen den Zuschlag zusammen mit Altenstädter Busbetrieb von Friedel Stroh. Seit Dezember sind beide für acht Jahre beauftragt. Eberwein fährt außer der Linie 73 die beiden anderen Karbener Stadtbuslinien 72 und 74.

Gegen die nachträgliche Kürzung können Stroh und Eberwein nichts machen. Kleine Abweichungen von bis zu fünf Prozent gesteht der Vertrag der VGO zu. „So viel ist es auf das Linienbündel gerechnet nicht“, weiß Ingeborg Strehl.

Also müssten sich die Firmen untereinander helfen. „Das lässt sich aber nicht sinnvoll ausgleichen“, erläutert die Eberwein-Chefin. „Der Bus ist ja nicht übrig und die Pausen zwischen zwei Fahrten sind zu kurz, als dass er in dieser Zeit woanders fahren könnte.“

Ingeborg Strehl hofft nun darauf, dass die Grünen und die übrigen Parteien im Parlament schnell ihr Versprechen einlösen, dass sie das Geld aus der Einsparung im Nahverkehrstopf behalten wollen.

Am besten wäre es, damit die sinnlosen Pausen von Fahrern und Bussen in Petterweil zu beenden, findet die Busbetriebs-Chefin. Zum Beispiel vielleicht durch eine neue Linie Karben–Friedrichsdorf?

Lange Umsteigezeiten

Einige Fahrplan-Fallstricke für die Fahrgäste müssten auf jeden Fall schnell beseitigt werden, findet sie. Die Einsparungen haben nämlich dazu geführt, dass es jeden Tag nun fünf Fahrten der Linie 73 nur zwischen Rodheim und Petterweil gebe. Fahrgäste, die weiter wollen zum Bahnhof Groß-Karben, haben Pech: In Petterweil ist der X27 bei Ankunft des Rodheimer Busses gerade weg. So wird eine Umsteigezeit von fast 30 Minuten nötig.

Die Situation ist für Fahrgäste wie Fahrer unangenehm: „Die Fahrer müssen die Fahrgäste dann auffordern auszusteigen“, sagt Ingeborg Strehl. Danach fährt der Bus leer zum Bahnhof Groß-Karben. „Da sind unserer Fahrer schon ganz schön angepflaumt worden“, sagt die Unternehmerin. „Aber wir können doch nichts dafür.“ (den)