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»Da härtet man ab«

Jede Menge blauer Säcke hat Bauhofmitarbeiter Michael Hornberg in den ersten zwei Stunden seiner Tour durch Groß-Karben eingesammelt. Zunehmend viel Müll verschwindet in den Eimern oder wird in die Landschaft geworfen. Damit hat die Stadt ein großes Problem. Fotos: Holger Pegelow
Jede Menge blauer Säcke hat Bauhofmitarbeiter Michael Hornberg in den ersten zwei Stunden seiner Tour durch Groß-Karben eingesammelt. Zunehmend viel Müll verschwindet in den Eimern oder wird in die Landschaft geworfen. Damit hat die Stadt ein großes Problem. Fotos: Holger Pegelow

Mit dem Bauhof auf Mülltour unterwegs – 70 Säcke Unrat täglich

Karben. Michael Hornberg steuert den Kleinlaster den Weg durch die verlängerte Mühlgasse Richtung Feld. »Da, sehen Sie«, zeigt er geradeaus an eine Weggabelung. Dort erblickt er schon von Weitem blaue Säcke, einfach neben dem Mülleimer abgestellt. »Der Weg zum Fasanenhof ist besonders beliebt als Müllabladeplatz«, sagt er.
Wir durch Groß-Karben, »das ist der Stadtteil, wo es mit dem Hausmüll am schlimmsten ist«, sagt der 60-Jährige. Als er sein Auto an den Streetballplatz hinter dem Hessenring nahe der TG-Turnhalle steuert, kann er das auch belegen. Nicht nur die Mülleimer quellen dort über, Hornberg muss auch den Greifer aus dem Auto holen, um den überall herumliegenden Müll einzusammeln.

Nein, aufregen will sich der 60-Jährige nicht. Seit einigen Jahren ist er beim städtischen Bauhof für die Leerung der Papierkörbe und die Reinigung der Gemarkung zuständig. »Da härtet man ab«, sagt er, als wir zur nächsten Station fahren.
Im verlängerten Parkweg wird es ganz krass. Als erstes sammelt Hornberg vier Säcke mit Grüne-Punkt-Müll ein, dann leert er den ersten Eimer an einer Bank, randvoll mit Müll. Auf dem nächsten Eimer liegt ein blauer Sack. Freundlich grüßt er eine Spaziergängerin mit Hund. Sie berichtet, »dass die Leute hier sogar Fleischreste wegwerfen«. »Offenbar sind das Reste vom Grillen, und die werden einfach in die Landschaft geworfen«, empört sich die Frau.

100 Meter weiter treffen wir auf einen Senior auf dem Fahrrad. Er steigt ab, als er den Bauhofmitarbeiter den Müll einsammeln sieht. »Ich war Jahrzehnte bei der Stadt, aber früher hätte es das nicht gegeben, da war unser Herr Körber dauernd unterwegs. Früher haben sich die Leute das auch nicht getraut«, schimpft er. Feldschütz Körber war bekannt dafür, häufig in der freien Natur nach dem Rechten schaute.

50-MAL AUSSTEIGEN
Mittlerweile sind wir eine Stunde unterwegs, ein Großteil der Ladefläche ist schon voller Säcke. Hornberg steuert Mülleimer für Mülleimer in der Gemarkung an, steigt aus, schließt das Teil auf, holt den fast ständig vollen Plastiksack raus und setzt einen neuen leeren rein. Dann steigt er wieder ein, fährt weiter. Gute 50-mal geht das so. »Abends weiß man, was man getan hat«, sagt er.

Der Bauhofmitarbeiter hat seine festen Touren: Montags fährt er die Stadtteile Rendel und Klein-Karben ab, dienstags einen Teil von Groß-Karben und Burg-Gräfenrode, mittwochs Okarben und Petterweil, donerstags die restlichen Teile von Petterweil und Kloppenheim. Er und sein Kollege müssen die ganze Woche über rund 350 solcher Mülleimer leeren. Darüber hinaus gibt es einen weiteren Kollegen, der die 80 Containerstandorte im Stadtgebiet säubert, wie der kommissarische Bauhofleiter Eric Rau berichtet.
»Wir haben für die Mitarbeiter feste Routen ausgearbeitet«, sagt Rau. Die werden tagtäglich abgefahren, jede Woche aufs Neue. »Und jede Woche sind die Mülleimer wieder voll«, berichtet Hornberg. Dabei hat die Stadt Prioritäten gesetzt: Die Parkanlagen und der Bahnhof sowie deren Umfeld kommen zuerst dran. Und im Ortskern Groß-Karben ist es der Platz am Eis-Rei, dem die Stadt besondere Aufmerksamkeit schenkt, um ihn sauber zu halten. »Den fahren wir zweimal täglich an«, betont Rau.

ALTE SCHRÄNKE
Trotz fester Touren kommt es vor, dass Hornberg und seine Mitarbeiter einen Sonderauftrag erhalten. Dann werden sie von der Bauhofleitung angerufen und zu einem »Sondermüllplatz« gerufen. »Am Promilleweg fanden wir schon alte Fenster, oder uns wurde gemeldet, dass alte Türen in Rendel herumliegen«, verrät Rau.
»Am Trimmpfad habe ich schon ausgediente Schränke eingesammelt«, erinnert sich Hornberg. »Einmal musste ich zwei blaue Säcke mit vollen Windeln im Feld abtransportieren.« Außerdem habe man schon einmal eine fast komplette Küche aus der Landschaft geholt. Rau und Hornberg berichten, dass sie zwischen Klein-Karben und Rendel mal zwei große Industriedrucker eingesammelt hätten. »Die mussten dort mehrere Leute hingeschafft haben, einer allein könnte solche großen Drucker gar nicht bewältigen.«

Nach gut zwei Stunden kehren wir auf den Bauhof zurück. Die Ladefläche des Kleinlasters ist übervoll. »Wir haben über 70 Säcke mit Müll aufgeladen«, weiß Hornberg vom Vortrag, als er in Klein-Karben und Rendel unterwegs war. Die Zahl schätzt er heute allein für Groß-Karben. »Und nach Burg-Gräfenrode fahre ich erst noch.«

Es mangelt an Umweltbewusstsein – Bürgermeister empört: 3400 Arbeitsstunden für Müllbeseitigung

Dass die Karbener ihren Müll zunehmend in die öffentlichen Mülleimer und sogar in die Landschaft werfen, empört Bürgermeister Guido Rahn. In der Antwort auf eine Anfrage der Freien Wähler fürs Stadtparlament äußert er sich so: »Besonders ärgerlich ist, dass zunehmend die Kollegen unseres Bauhofes mit der Beseitigung von Müll beschäftigt sind, den uneinsichtige Zeitgenossen in der Landschaft entsorgen oder die öffentlichen Abfalleimer zur Entsorgung ihres Hausmülls verwenden.« So kalkuliere die Stadt für dieses Jahr mit gut 3400 Arbeitsstunden nur zur Müllbeseitigung inklusive Leerung der Abfalleimer. »Durch das vermehrte Aufstellen von Hundekotbeutelspendern wird die Aufgabe zudem noch umfangreicher.« Bei einem Verrechnungssatz von rund 50 Euro je Stunde seien das rund 170 000 Euro für die Müllbeseitigung.
Ursprünglich ging es um die Frage der Pflege der öffentlichen Plätze, etwa durch Freischneiden von Standorten für Ruhebänke. Dazu sagte Rahn, dass die Standorte zwei Mal pro Jahr von Bauhofmitarbeiter freigeschnitten würden. Bei 277 Bankstandorten in allen Ortsteilen sei ein Kollege sechs bis sieben Wochen damit beschäftigt, nur um einmal die Tour zu vollenden. Bei zwei Touren seien das 750 Arbeitsstunden, Kosten 37500 Euro pro Jahr. (pe )