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Dein Nachbar ist „nur“ ein Flüchtling

Das Wort zum Sonntag

Die kommende Woche steht ganz im Zeichen der Bundestagswahlen. Ich bin gespannt. Um Punkt 18 Uhr werde ich am 24. September vor dem Fernseher sitzen und auf die erste Hochrechnung warten.

Bei allen Wahlen, an denen ich bisher teilgenommen habe, hatte ich einen Favoriten. Diesmal ist das etwas anders, denn ich wünsche mir vor allem eine Sache: Einen klaren Sieg der demokratischen Kräfte. Ich hoffe auf eine große Mehrheit für diejenigen, die für eine gerechte Gesellschaft eintreten. Ich bin für diejenigen, die sich für die Menschenwürde aller einsetzen – und zwar unabhängig davon, ob jemand hier geboren ist oder nicht. In den Jahren zuvor war das für mich immer eine Selbstverständlichkeit bei demokratischen Wahlen. Aber die Stimmung in Deutschland hat sich verändert.

Trotz der vielen Menschen, die sich engagiert gegen nationalistische Parolen wehren, machen mir einige Entwicklungen Sorgen. Es lässt mich nicht kalt, wenn Menschen zunehmend gegen Andersdenkende und Anderslebende mit Worten und Taten gewalttätig werden, wenn Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass um sich greifen. Ich frage mich: „Warum folgen so viele Menschen ausländerfeindlichen Parolen? Warum lassen sich immer mehr von den Verheißungen und Verlockungen selbst ernannter Heilsbringer verführen? Und warum lassen sich auch Vertreter von etablierten Parteien immer wieder auf das Niveau dummer Stammtischparolen herab?“ Mir tun die Menschen leid, die dieser Hass trifft. Und mir tun die Menschen leid, die so viel Ärger, Wut und Hass in sich tragen.

Ich glaube an Jesus Christus, der aufsteht in unser Leben, so dass wir frei werden von Vorurteilen und Anmaßung, von Angst und Hass. Und so blicke ich auf unsere „abendländische“ Kultur und muss erkennen:

Dein Christus ist ein Jude,

Dein Auto ist ein Japaner,

Deine Pizza italienisch,

Deine Demokratie griechisch,

Dein Kaffee brasilianisch,

Dein Urlaub türkisch,

Deine Zahlen arabisch,

Deine Schrift lateinisch…

… und Dein Nachbar ist „nur“

ein Flüchtling?

Maurice Meschonat

Vikar der Evangelischen Christuskirchengemeinde Bad Vilbel