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Der Traum: In Frieden leben!

Urologe Abdallah Barakat bei der Arbeit in der Klinik im syrischen Aleppo, Flüchtling und Christ, lebt jetzt in Bad Vilbel und wartet auf seine Anerkennung als Flüchtling.
Urologe Abdallah Barakat bei der Arbeit in der Klinik im syrischen Aleppo, Flüchtling und Christ, lebt jetzt in Bad Vilbel und wartet auf seine Anerkennung als Flüchtling.

Mehr als 51 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht – so viele wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg, meldete das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen. Zu ihnen gehören über sechs Millionen Syrer, die auf der Flucht vor Terror und Gewalt sind. Einer aus dieser großen namenlosen Masse ist Abdallah Barakat aus Homs. Er ist Christ und verließ aus Angst um sein Leben am 18. Juli 2012 die Stadt Aleppo.

Das DRK ist „meine deutsche Familie“, sagt Flüchtling Abdallah Barakat. Bereitschaftleiterin Silke Zuschlag kümmert sich mit Kollegen um den Arzt. Foto: fau
Das DRK ist „meine deutsche Familie“, sagt Flüchtling Abdallah Barakat. Bereitschaftleiterin Silke Zuschlag kümmert sich mit Kollegen um den Arzt. Foto: fau

Bad Vilbel. Die Stadt hat eine jahrtausendealte Geschichte. Sie ist Kulturhauptstadt des Islam und Unesco-Welterbe. Hier lebten Moslems und Christen lange Zeit friedlich zusammen. Bis 2011 der Bürgerkrieg ausbrach und alles veränderte. Die Christen gerieten in einem Krieg zwischen die Fronten, der mit Demonstrationen für mehr Demokratie und gegen das Regime begann, sich dann zum Bürger- und später Religionskrieg entwickelte. Bis vor drei Jahren war Syrien jahrzehntelang eine vorbildliche Gesellschaft im Nahen Osten. Es herrschte eine weitgehende Religionsfreiheit zwischen Sunniten (73%), Alewiten (12%), Christen (10%), Drusen (4%) und anderen Religionen (2%). Inzwischen hat sich die Stadt Aleppo in eine Hölle vewandelt. Jeden Tag sterben dort Menschen.

Die Zahl der Toten, Verletzten, Missbrauchten und Täter steigt ständig. Selbsternannte Krieger des Terrornetzwerkes ISIS (Islamischer Staat im Irak und der Levante) überfallen christliche Klöster, nehmen Nonnen als lebende Schutzschilde, zerstören Kirchen, rekrutieren Kinder und Jugendliche als Soldaten. Überall Gewalt und Zerstörung. Christen werden als Geiseln genommen. Und in Syrien, der Wiege des Christentums, von Islamisten gekreuzigt. Abdallah Barakat hat alles verloren. Seinen Besitz und seine Arbeit. Und macht sich täglich Sorgen um seine Familie. Sie ist noch in Syrien. Seit fast zwei Jahren ist der Ehemann und Vater dreier Kinder auf der Flucht. Dass er überlebt und Deutschland erreicht hat, verdankt er vielen glücklichen Zufällen. Ende Februar 2014 traf er im Auffanglager in Gießen ein, wo er einen Monat blieb. Seit dem 1. April lebt er in Bad Vilbel und hofft jeden Tag darauf als Asylbewerber anerkannt zu werden. Erst dann kann er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen.

Der Fünfzigjährige hat von 1982 bis 1987 Medizin an der Universität von Damaskus studiert. Danach machte er an der Universität von Aleppo seinen Facharzt. Und arbeitete als Operateur am staatlichen Hospital und an einer Privatklinik erst in Aleppo, dann für ein Jahr im Hospital von Sadad. 2013 kehrte er zurück ins Hospital von Aleppo. Dort hatte seine Ehefrau Manal Sarkeis (37), eine Zivil-Ingenieurin eine Stelle als Assistentin an der Universität. Den Eheleuten ging es finanziell gut. Sie hatten Arbeit, die sie erfüllte, und konnten ihren Kindern eine gute Ausbildung bieten. Bis der Terror und die Übergriffe gegen Christen alles veränderten. „Sie schießen auf alles und jeden.“ An Alltag, einen geregelten Tagesablauf war nicht mehr zu denken. Das Ehepaar kündigte seine Stellen und verließ die Stadt. „Dort wurde es von Tag zu Tag für Christen gefährlicher zu bleiben.“ Raus aus Aleppo, lautete die Devise.

Seine Frau, Tochter May (14) und die beiden Söhne Antoine (16) und Rani (8) fanden vorläufig in Tartus Schutz. Dort besuchen die Kinder weiter die Schule. Abdallah Barakat wagte die Flucht nach Europa. Als Familie zu flüchten wäre zu riskant gewesen. Und zu teuer. Flüchten ist neben Mut auch eine Geldfrage. Und es gehört Glück dazu, viel Glück.

Nach einer gefährlichen Odysee kommt der Arzt in Bad Vilbel an. In sein altes Leben, in seine Heimat, kann er nicht mehr zurück. Seine Familie will er auf jeden Fall nachholen, sobald er wieder Arbeit hat. Statt wie früher in einem Haus zusammen mit seiner Familie zu leben, wohnt er jetzt in einem Zimmer, das er sich mit einem anderen Asylbewerber teilt. Doch der Mediziner gibt nicht auf. Er kämpft. „Ich vermisse meine Studenten, Kollegen und den Operationssaal.“ Doch solange er Flüchtling ist und keine unbefristete Aufenthaltsgenehimigung hat, bekommt er in Deutschland keine Anerkennung als Arzt.

Abdallah Barakat hat Glück. Susanne Förster, die zusammen mit Jörg Heinz die Flüchtlingshilfe bei der Stadt Bad Vilbel koordiniert, stellt einen Kontakt zum örtlichen DRK her. Die Verständigung zwischen dem ruhigen, freundlichen Arzt und den Sanitätern läuft auf Englisch. Bereitschaftsleiterin Silke Zuschlag und ihr Team nehmen den Arzt in ihre Gemeinschaft auf, nehmen ihn mit zu Dienstabenden, zu Blutspendeterminen, auf Fachmessen und zu Veranstaltungen wie den Burgfestspielen.

Da er in Deutschland noch keine Anerkennung als Arzt hat, meldeten ihn die Mitglieder zu einem Erste-Hilfe-Kurs an. Die Kosten übernahm der DRK-Ortsverein.

„Ich habe beim Deutschen Roten Kreuz neue Freunde gefunden, sie sind meine deutsche Familie“, sagt Abdallah Barakat. Er lernt jeden Mittwoch und Freitag in einem Kurs der Bürgeraktive Deutsch, ist ein eifriger und fleißiger Schüler. Sobald er seine Aufenthaltsgenehmigung bekommt und als Asylbewerber anerkannt ist, will er den Sprachtest B2 an der VHS machen, um seine Zulassung als Mediziner zu beantragen, sich zu bewerben und wieder zu operieren.