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Die Wetterau wächst

Blühende Landschaften in der Wetterau: Nicht nur wie hier zwischen Wöllstadt und Bruchenbrücken treffen Landwirtschaft und Wohnbebauung aufeinander. Fotos: Sänger
Blühende Landschaften in der Wetterau: Nicht nur wie hier zwischen Wöllstadt und Bruchenbrücken treffen Landwirtschaft und Wohnbebauung aufeinander. Fotos: Sänger

Als Teil der Metropolregion Frankfurt Rhein-Main zählt auch die Wetterau heute zu den bevorzugten Siedlungsräumen. Entlang der Main-Weser-Bahn zwischen Bad Vilbel und Friedberg entstehen neue Wohn- und Gewerbegebiete. Mit dem viergleisigen Ausbau der S6 sowie dem Bau von Umgehungstraßen und der in der Diskussion stehenden Erweiterung der B3 wird der Siedlungsdruck auf die Wetterau entlang der Verkehrsachsen noch zunehmen. Zu den jetzt fast 300 000 Bewohnern könnten in zehn Jahren bis zu 30 000 hinzukommen.

Stadtrat Wiechers beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Siedlungsraum. Neben seinem politischen Ehrenamt ist der ehemalige Bauspar-Vorstand in mehreren anderen Fachgremien aktiv. Ein anderes Kirchturmdenken, das der Region allerlei Gebimmel beschert, jedoch weit davon entfernt ist, einen Gleichklang zu erzielen.
Stadtrat Wiechers beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Siedlungsraum. Neben seinem politischen Ehrenamt ist der ehemalige Bauspar-Vorstand in mehreren anderen Fachgremien aktiv. Ein anderes Kirchturmdenken, das der Region allerlei Gebimmel beschert, jedoch weit davon entfernt ist, einen Gleichklang zu erzielen.

Bad Vilbel. Die einstige Kornkammer Hessens wird sich in den kommenden zwei Jahrzehnten verändern. Dessen ist sich auch Rüdiger Wiechers sicher, ehrenamtlicher CDU-Stadtrat in Bad Vilbel und Vorstandsmitglied der Wirtschaftsförderung Region Frankfurt / Rhein-Main. Die Region wächst, und es fehlen in den kommenden zehn Jahren bis zu 200 000 Wohnungen, schätzt Wiechers, „doch den Bedarf weiß keiner so genau“.

Der pensionierte Banker und ehemalige Chef der Allianz Dresdner Bauspar AG in Dortelweil sieht in dem derzeit unzureichenden Wohnungsmarkt einen „Engpassfaktor für eine gedeihliche Wirtschaftsentwicklung“ der Metropolregion Rhein-Main. Wiechers geht vorsichtig von einem „Wachstumsszenario zwischen fünf bis zehn Prozent“ bei rund fünf Millionen Menschen in der Gesamtregion aus. Aufgrund ihrer Lage, Institutionen und Wirtschaftskraft habe die Region „grundsätzlich erhebliches Potenzial im Wettbewerb gegenüber anderen europäischen Metropolen.“ Nur bremsten die fehlenden Wohnungen das Wirtschaftswachstum aus.

Doch diese Wirtschaftskraft müsse auch bewegt werden, kritisiert Wiechers: „Unsere Region bekommt sinnbildlich die PS nicht auf die Straße, da sie sich im Kirchturmdenken verzettelt und aus Wiesbaden von der Landesregierung keinen Unterstützungsschub erhält.“

Eine harsche Kritik. Im Gegensatz zu den zentral ausgerichteten europäischen Metropolen sei Frankfurt selbst „miniklein“ und erhalte erst durch sein ländliches Umland und dessen Mittel- und Unterzentren polyzentrisch seine große Bedeutung als Metropole.

Kohlköppe oder Menschen?

Aber dieses Kirchturmdenken im Umland ist es, das Wiechers Kritik herausfordert: „Wollen wir Kohlköppe oder Menschen ansiedeln?“ Doch das will er „nicht so ganz plakativ“ verstanden wissen, räumt er ein. Auch Wiechers sieht in den natürlichen Gegebenheiten offener, natürlicher Landschaften gleichwohl einen „großen Standortvorteil“ gegenüber anderen Zentren. Es gehe nicht darum, künftige grüne Flächen in der Wetterau zusätzlich einzubetonieren, sondern neue Infrastrukturen mit den vorhandenen Gegebenheiten wie mit der Landwirtschaft als große Herausforderung intelligent zu schaffen.

Was er vermisst, das ist ein geschlossenes Leitbild aller Aspekte zur Gesamtentwicklung der Region: „Wir brauchen eine Einrichtung, die im Bemühen um Einzelheiten für das Ganze denkt.“ Und zu diesem Bemühen zählt nicht nur die Schaffung von Wohnraum. Arbeitsplätze und Verkehrswege sind die Rückseite derselben Medaille. Wer fernab der Metropole wohne und täglich bis zu zwei Stunden zur Arbeit nach Frankfurt pendeln müsse, der vergeude Lebenszeit auf der Strecke.

Die Wetterau sieht Wiechers hierbei als begünstigte Region im Vorteil. Wohnen und Arbeiten in Nähe zur Bankenmetropole mache die Wetterau als einen künftigen Siedlungsschwerpunkt attraktiv. Hier prognostiziert er in den kommenden zehn bis 15 Jahren einen Bevölkerungszuwachs zwischen 20 000 und 30 000 Einwohner. Aber auch das sei noch „Kaffeesatzleserei“ und spekulativ. Weil die einzelnen Verschiebungen der Bevölkerungsstruktur innerhalb des Kreises selbst sowie die Veränderungen der Arbeitsplätze angesichts der künftigen Möglichkeiten der Online-Arbeitsplätze schwer erfassbar seien.

Von einem künftigen „Speckgürtel Wetterau“ will Wiechers jedoch nichts wissen. Er lehnt diesen Begriff ab. Die Wetterau biete an den Verkehrsachsen „keine spektakulären Lagen“ mit extremem Preisniveau. Was sich derzeit abzeichne, das seien Wohngebiete mit unterschiedlicher Bevölkerungsstruktur und unterschiedlichen Zielgruppen. Auch sieht er keinen exorbitanten Preisanstieg, im Gegenteil. Durch den Bau neuer Wohnungen werde das Angebot an bezahlbarem Wohnraum steigen. Vor dem Hintergrund der derzeit explodierenden Mieten im Zentrum Frankfurt „geht das dann in den Preisen eher nach unten.“ Denn das zurzeit geringe Wohnungsangebot sei die Ursache für den Mietpreispreisanstieg, ist Wiechers überzeugt.

Verkehr bereitetKopfschmerzen

Allein die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur bereitet ihm Kopfzerbrechen: „Fahren Sie doch mal von Bad Vilbel mit der S-Bahn nach Bad Homburg.“ Oder nach Hanau. Es fehlen vernetzte und preisgünstige „Ringsysteme“ wie in anderen Metropolen. Wiechers: „Eine intelligente Verkehrsplanung für die Zukunft ist das nicht!“ Aber dies sei auch einem fehlenden regionalen Leitbild geschuldet wie die Verkehrsentwicklung zwischen verschiedenen Entscheidungsträgern nicht im Sinne der Entwicklung einer Metropolregion Rhein-Main geschehe.