Veröffentlicht am

Dorf-Lädchen

Geschäft und Ausbildungsbetrieb von Berufsbildungswerk und Tegut

Seit vier Jahren ist das „Tegut-Lädchen für alles“ eine feste Institution in Okarben. Es sorgt nicht nur für die Nahversorgung, sondern bietet auch Jugendlichen mit Handicaps eine Chance. Mit René Skwarra hat ein neuer Ausbilder des Berufsbildungswerks die Marktleitung übernommen.

 

Karben. Auch an einem ganz normalen Vormittag ist in dem kleinen Okarbener Lädchen ständig etwas los. Im Schnitt kommen täglich 200 Kunden, berichtet René Skwarra. Er ist Ausbilder für den Einzelhandel beim Berufsbildungswerk Südhessen (BBW) und seit Januar neuer Marktleiter. Damit hat er eigentlich zwei Jobs. Er ist zuständig dafür, den Jugendlichen mit Förderbedarf zu helfen – und gleichzeitig einen ganz normalen Lebensmittelladen am Laufen zu halten.

Denn die neun Jugendlichen, die hier in zwei Schichten arbeiten, haben individuellen Förderbedarf, erläutert Skwarra. Manche haben etwa eine Lese-Rechtschreibschwächer, andere ADHS. „Da muss man fünfzig Prozent mehr Zeit einplanen“, schildert er. In dem Tegut-Lädchen werden sie mit dem realen Berufsalltag konfrontiert. Da geht es nicht nur um Wissen und Erfahrung, feste Strukturen und Abläufe geben den Azubis auch Sicherheit. Alle zwei Tage wechselt die Besetzung, denn das BBW hat auch eine Berufsschule.

Dieselben Preise

Das Lädchen selbst ist mit nur 200 Quadratmeter, kaum zwei Wohnungen groß, wirkt aber deutlich geräumiger. Auch das Sortiment sieht nicht nach Tante-Emma-Laden aus, auch wenn es nur 4000 von 15 000 Tegut-Artikeln bietet. „Aber das sind immer noch 500 mehr als im Discounter“, sagt Skwarra. Er betont: „Es ist schön, dass es keine Preisunterschiede zu regulären Tegut-Märkten gibt.“

Diese Praxis sei handlungsorientiert und somit „ein ganz wichtiger Bestandteil der Ausbildung“, betont BBW-Ausbildungsleiter Ralf Heiß. Nicht nur das kaufmännische kommt da zum Tragen, die Azubis lernten auch, mit Wünschen und Kritik der Kunden umzugehen. Aber es bedarf noch etwas: Der Rückhalt der Bevölkerung. Es gibt in Okarben viele Stammkunden, ergänzt Skwarra. Und die sollen bald noch mehr angesprochen werden. Am ersten Freitag nach Ostern, 21. April, will Skwarra die Grillsaison vor dem Lädchen starten und dort im Sommer dann immer zum Start ins Wochenende freitags von 16 bis 18 Uhr dazu einladen.

Lob kommt auch von der Stadt. In Vertretung von Otmar Stein, der das Projekt mit voranbrachte, ist der Erste Stadtrat Friedrich Schwaab (CDU) gekommen. Er selbst habe schon in einem IHK-Prüfungsausschuss gesessen und wisse um die heute zu verschulte Ausbildung, „die Praxis fehlt.“

Doch das Lädchen sei nicht nur zum Einkaufen da, viele kämen vorbei, um ins Gespräch miteinander zu kommen. Ein älterer Herr, der anonym bleiben möchte, bestätigt das: „Sonst ist ja nichts am Ort, das ist die einzige Möglichkeit, am Leben teilzunehmen.“

Eine große Chance sehen auch die Azubis in der BBW-Ausbildung. Diese hat für Maximilian Battefeld aus dem nordhessischen Spangenberg bereits ein Jahr vor der eigentlichen zweijährigen Ausbildung begonnen, weil er im BBW ein berufsvorbereitendes Jahr absolvierte. Bereits als Schüler habe er im Lädchen ein Praktikum gemacht, erinnert er sich. Und er lobt die Unterstützung durch das BBW: „Hier wird mir auf jeden Fall sehr gut geholfen.“

Hilfsbereit, ohne Hektik

Auch seine Kollegin Jacqueline Jung aus Staufenberg ist weit angereist, wohnt wie Battefeld im Internat des BBW. Sie ist voller Elan: „Das ist mein Beruf, den möcht’ ich machen“, sagt sie spontan, denn „ich brauche Menschen um mich herum.“ Auch das Zusammenarbeiten im Ausbildungsteam findet sie sehr hilfreich

Mit ihren Kunden hat Jung überwiegend gute Erfahrungen gemacht. Viele ältere sind dabei. Manchmal auch solche, die sich beschwerten. Über das Tempo etwa. In der Tat geht es nicht so hektisch zu wie im Discounter an der Kasse. Doch dafür ist Verkäuferin Vanessa Fischer im ersten Lehrjahr an der Kasse nicht nur am schnellen Abrechnen interessiert, sondern legt sorgfältig einer Kundin die Waren in den Einkaufskorb. Auch der Lieferservice sei für ältere Kunden sinnvoll, meint Claudia Vonhof, „aber ob er funktioniert, habe ich noch nicht ausprobiert.“