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Einst in jüdischem Besitz

Auf Schautafeln informieren die Ausstellungsmacher über jüdische Geschichte und jüdische religiöse Einrichtungen, von links: Marlies Gebhard-Petri, Rosemarie Plewe, Monika Heinz, Charlotte Jäkel und Hartmut Polzer Fotos: Susanne Krejcik
Auf Schautafeln informieren die Ausstellungsmacher über jüdische Geschichte und jüdische religiöse Einrichtungen, von links: Marlies Gebhard-Petri, Rosemarie Plewe, Monika Heinz, Charlotte Jäkel und Hartmut Polzer Fotos: Susanne Krejcik

Die Ausstellung „Jüdisches Leben in Groß-Karben“ ist im Heimatmuseum noch einmal am Sonntag, 12. Oktober, zu sehen.

Ruth Junker (rechts) überlebte den Holocaust, ihre Schwester Margot wurde ermordet. Die Aufnahme wurde um 1930 in Groß-Karben gemacht.
Ruth Junker (rechts) überlebte den Holocaust, ihre Schwester Margot wurde ermordet. Die Aufnahme wurde um 1930 in Groß-Karben gemacht.

Karben. Auf dem um 1930 entstandenen Foto hält Margot Junker ihre jüngere Schwester Ruth an der Hand. Von den beiden Kindern, die mit ernstem Gesichtsausdruck in die Kamera blicken, hat nur Ruth überlebt, da sie mit einem Kindertransport aus Deutschland fliehen konnte. Margot Junker wurde mit ihren Eltern in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet.

Anhand dieses und weiterer Fotos dokumentiert die Ausstellung „Jüdisches Leben in Groß-Karben“ exemplarisch das Schicksal der vier jüdischen Familien Hirsch, Junker, Ross und Strauss. „Es war sehr bewegend, sich damit zu beschäftigen, dass man solche kleinen Kinder in den Tod geschickt hat“, sagen Marlies Gebhard-Petri und Monika Heinz. Die früheren Lehrerinnen gehören zum Team des Museumsdienstes, das gemeinsam mit der Initiative Stolpersteine die Schau erstellt hat.

Die Ausstellung vermittelt Einblicke in die Entwicklung jüdischen Lebens, religiöse Einrichtungen der jüdischen Gemeinde sowie ins Familien- und Geschäftsleben von jenen jüdischen Familien, die vor dem Nationalsozialismus in Groß-Karben wohnten und arbeiteten.

„Zudem wird erstmals eine kleine Auswahl von Gegenständen gezeigt, die sich einst im Besitz von Karbener jüdischen Familien befunden haben“, erläutert Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine. Vom Museumsdienst-Team haben außerdem Ex-Ortsvorsteher Werner Gold und Rosemarie Plewe mitgemacht.

Erinnerung erhalten

Grundlage für ihre Recherchen waren Veröffentlichungen von Helmut Wiegand sowie des jüngst verstorbenen Historikers Helmut Heide, weitere historische Literatur sowie die Ergebnisse aufgrund der langjährigen Arbeit der Initiative. Die Recherche-Ergebnisse werden auf Schautafeln gezeigt.

„Ich finde es sehr interessant, was ich im Laufe unserer Recherchen über das einstige jüdische Leben in Karben erfahren habe“, sagt Rosemarie Plewe. „Es ist mir ein Anliegen, dass die Erinnerung daran erhalten bleibt.“ So hat sie recherchiert, dass die Juden in Groß-Karben vor allem in der Bahnhof-, Park-, Burg-Gräfenröder- und Heldenberger Straße lebten.

Besitztümer im Müll

Eine große Wandtafel auf dem Gang – gespendet von der Sparda-Bank – wird auch nach der Ausstellung ihren Platz im Museum behalten. Auf ihr sind auf einem aktuellen Stadtplan die Häuser markiert, in denen jüdische Familien um 1930 wohnten.

Eine weitere Stelltafel informiert über jüdische Geschäfte, darunter Metzger und Händler für Vieh, Früchte, Getreide, Textilien, Manufakturwaren, eine weitere über religiöse Einrichtungen. So habe es eine Synagoge und in der Heldenberger Straße 12 eine Mikwe, das jüdische Tauchbad, gegeben, sagt Charlotte Jäkel.

In einem Schaukasten werden Gegenstände gezeigt, die einst jüdischen Karbenern gehörten. Zu sehen sind unter anderem Puppenmöbel, Dokumente, ein Silberschälchen. „Das Schälchen hat einst der jüdischen Familie Kulb gehört“, erklärt Monika Heinz. Seniorin Lia Fink habe erzählt, dass ihr Vater es nach der Pogromnacht im Schutt gefunden habe. Als Lia Fink es bei der Woche der Begegnung in Karben im Jahr 1993 an Familie Kulb habe zurückgeben wollen, habe man gesagt, sie könne es zur Erinnerung behalten, so Monika Heinz.

Nach vielseitiger Quellenrecherche lasse sich festhalten, „dass übereinstimmend vom guten nachbarschaftlichen Verhältnis zwischen Juden und Christen bis in die 1930er-Jahre berichtet wird“, erzählt Rosemarie Plewe. „Hierzu gehörte auch, dass die Juden ins örtliche Vereinsleben integriert waren.“