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Fast wie beim Frühlingsfest

Wenn Kulturen aufeinander treffen: Familie Anwari ist aus dem Iran geflüchtet

Deutschlehrerin und FNP-Mitarbeiterin Laura Merz (links) hat zu Weihnachten auch ein kleines Geschenk von Saber, Zahra, Sadra und Nader Anwari bekommen. Die Familie selbst feiert das Neujahrsfest Nouruz.
Deutschlehrerin und FNP-Mitarbeiterin Laura Merz (links) hat zu Weihnachten auch ein kleines Geschenk von Saber, Zahra, Sadra und Nader Anwari bekommen. Die Familie selbst feiert das Neujahrsfest Nouruz.

Weihnachten ist das Fest der Liebe: Wir feiern die Geburt Jesus Christus. Diese simple Tatsache gerät zwischen hektischem Geschenkekaufen und dem Besorgen des Tannenbaums manchmal in den Hintergrund. FNP-Mitarbeiterin Laura Merz ist gleichzeitig Deutschlehrerin der in Schöneck untergekommenen Familie Anwari – und hat nachgefragt, wie sie die festliche Zeit in Deutschland wahrnimmt.

Schöneck. Familie Anwari lebt inzwischen seit zwei Jahren hier in Deutschland und beinahe ebenso lange in Schöneck. Sie sind aus ihrer Heimat, dem Iran, geflohen und versuchen nun, sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen – wie so viele Flüchtlinge, die ihr Land verlassen mussten und in Europa Schutz suchen.

Weihnachten? Nein, das feiern sie nicht. Nader, Vater der zwei Jungs Saber und Sadra und Ehemann von Zahra, versucht, seine Religion zu erklären: „Am 24. Dezember wurde Jesus geboren, das stimmt. Aber für uns Muslime ist Iossa einer von 124 000 Propheten.“ Iossa, wie Jesus im Islam auch genannt wird, ist für Christen hingegen nicht irgendein Prophet, sondern die personifizierte Liebe, ein Vorbild im Glauben.

Auf die Frage, ob sie schon einmal auf einem Weihnachtsmarkt waren und wie er ihnen gefallen hat, muss Nader schmunzeln. „Dort ist alles sehr teuer! Das ist in meiner Heimat anders. Wenn wir Nouruz feiern und 43 Tage lang die Straßen voller Marktstände sind, werden die Waren dort viel günstiger verkauft, als sonst. Damit auch ärmere Menschen dort einkaufen können.“

Nouruz wird das Neujahrsfest genannt, das wörtlich übersetzt so viel wie „Neuer Tag“ heißt. Dieses wird allerdings nicht vom 31. Dezember auf den 1. Januar gefeiert, sondern um den 20. März. 30 Tage vor dem Frühlingsfest wird bereits alles vorbereitet. Das Haus wird geputzt, mit Lichtern festlich geschmückt und Eier werden gefärbt – ein bisschen erinnert diese Tradition an die des christlichen Osterfestes, das in etwa zur selben Zeit gefeiert wird.

Auch werden Plätzchen und Kuchen gebacken, ähnlich wie in der Weihnachtszeit hier in Europa. An Nouruz wird das neue Jahr dann mit einem Feuerwerk und einem großen Fest begrüßt. Man besucht Verwandte und Freunde, überrascht sich gegenseitig mit Geschenken und lässt die alten Sünden und Laster des vergangenen Jahres zurück.

Gute Vorsätze

Denn mit dem Frühling beginnt ein neues Jahr mit guten Vorsätzen und frischem Lebensmut. Der Gedanke hinter Nouruz ist ein Ähnlicher wie der, mit dem hierzulande an Silvester das neue Jahr begrüßt wird. Das Frühlingsfest wird dann noch weitere 13 Tage gefeiert. An Sizdabedar, dem letzten Tag, wird die Natur als göttliches Geschenk an die Menschen geehrt, indem man den ganzen Tag draußen verbringt und sie genießt. Trotz all dieser augenscheinlich großen Unterschiede in den europäischen und arabischen Traditionen ist der Kern dennoch derselbe: Es geht um das friedliche Miteinander im Kreise der Menschen, die man liebt.

Familie Anwari genießt derweil die Weihnachtszeit in Deutschland und nähert sich der anfangs fremden Kultur an. Auch wenn sie kein Weihnachten im christlichen Sinne feiern, finden sie es doch eine schöne Kultur, sich gegenseitig Geschenke zu machen.

Zahra, Mutter der beiden aufgeweckten Söhne, liebt das leckere Weihnachtsgebäck und backt selbst leidenschaftlich gerne – und zwar nicht nur Plätzchen. Freudestrahlend berichtet sie vom gemeinschaftlichen Lebkuchenbacken, das eine Mutter aus dem Kindergarten ihres Sohnes organisiert hat und dazu Mütter sowie Kinder zu sich nach Hause eingeladen hat. Auch die Tradition des Adventsfensters hat Zahra mit ihrem ältesten Sohn schon miterlebt und sich dabei an einer heißen Tasse Orangensaft gewärmt.

Einen großen Beitrag zur Annäherung zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Traditionen hat auch der Arbeitskreis (AK) Asyl in Schöneck geleistet. Gena Firnges vom Arbeitskreis organisierte mit vielen zum Teil ehrenamtlichen Helfern am 3. Dezember ein Weihnachtsfest, das auch die Flüchtlinge mitgestaltet haben.

Alle an einem Tisch

Zu diesem Anlass gab es auch einen kleinen Gottesdienst in der katholischen Kirche in Kilianstädten und anschließend ein gemütliches Beisammensitzen. Jeder hatte leckere Speisen mitgebracht – so haben an diesem Nachmittag Menschen unterschiedlichster Nationen und Kulturen gemeinsam an einem Tisch gesessen.

Familie Anwari nähert sich den europäischen Bräuchen ganz offen an. Und auch wenn sie die deutschen Traditionen oder gar Religion nicht übernehmen, sind die Botschaften beider Feste am Ende doch die Gleichen: Es werden die Liebe und der Frieden gefeiert.

AK Asyl


Unter dem Motto „Was war, was ist, was kommt?“ veranstaltet der Schönecker Arbeitskreis Asyl am 24. Januar (Dienstag) um 19.30 Uhr im Bürgertreff Kilianstädten einen Infoabend. Interessierten soll ein Einblick in das Arbeitsfeld des AK vermittelt werden, ortsansässige Flüchtlinge kommen zu Wort und neue Wege werden aufgezeigt. Rund 240 Flüchtlinge leben derzeit in der Gemeinde. (dae)