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Fremdenverkehr stoppen? – Anwohner-Initiative ist wegen der Niddertalbahn wieder auf die Barrikaden gestiegen

Bad Vilbel. Nur wenige Meter neben dem Garten von Gerhard Bänder in Gronau fahren die Züge der Niddertalbahn entlang. Was über Jahre kein Problem war, weil am Wochenende auf der Strecke des Stockheimer Lieschens Betriebsruhe herrschte. Bis Kommunen, Kreise und der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) am 4. Mai 2008 das neue Lieschen an den Start brachten: Mit modernen Doppelstockwagen, stündlichen Zügen bis Frankfurt und – Wochenendverkehr! Plötzlich wurde es auch sonntags laut im Bänderschen Garten.

Denn die Doppelstockzüge sind mit den 218er-Dieselloks unterwegs, die lauter sind als die bisher zumeist eingesetzten Triebwagen des Typs 628. Mit Nachbarn schloss sich Bänder zur „Bürgerinitiative Umweltschutz Niddertalbahn“ zusammen. Gemeinsam brachten sie den RMV dazu, dass die Bahn seit Herbst statt der Dieselloks zumindest sonntags wieder die Triebwagen fahren lässt. Die allerdings sind nicht nur viel kleiner, sondern auch unbequemer, ist der Einstieg doch nur über Treppen möglich.

Das wiederum bringt nun den Verbund in die Bredouille: Im Sommer soll das neue Lieschen nämlich zentraler Zubringer für Fahrrad-Touristen zum Vulkanradweg in Heldenbergen, Altenstadt und Stockheim sein. „Aus unserer Sicht wird der Bedarf an Fahrradstellplätzen größer“, sagt RMV-Sprecherin Petra Eckweiler. Deshalb ist seit diesem Wochenende sonntags wieder eine Diesellok mit Doppelstockwagen unterwegs: Viermal fährt sie von Stockheim nach Bad Vilbel und zurück. Für Gerhard Bänder und die BI sind das „vorgeschobene Argumente“. Dass die Kapazität der Fahrradstellplätze nicht ausreiche, sei eine „fadenscheinige Begründung“. Die BI fordert, statt Diesellok und Doppelstock zwei weitere, zusammengekoppelte Triebwagen einzusetzen. Die aber sind nicht verfügbar: „Wir haben keine Alternativen“, sagt RMV-Sprecherin Eckweiler. Die Bahn habe dem Verbund glaubhaft versichert, keine anderen Fahrzeuge bereitstellen zu können. Zwingen, andere Loks einzusetzen, kann der RMV die Bahn nicht: Erst zum Fahrplanwechsel 2011 soll die Strecke ausgeschrieben und ein neuer Betreiber gesucht werden. Ohnehin sei es ein Kompromiss, dass ein Doppel-Triebwagen sonntags unterwegs sei. Denn die 628er seien mit ihren Stufen wesentlich unbequemer zu nutzen als die Doppelstockwagen mit ebenerdigem Einstieg, erklärt Petra Eckweiler.

„Der RMV fördert mit dieser Maßnahme den Fahrrad-Tourismus mit uralten, lauten und stinkenden Loks auf Kosten von über 6000 direkten Anliegern“, schimpft BI-Sprecher Bänder. „Das ist ein Kompromiss“, erinnert RMV-Sprecherin Eckweiler. Der Verbund müsse ebenso die Interessen der Anwohner wie auch die der Fahrgäste berücksichtigen.

„Die Problematik mit den Loks ist uns bekannt, aber wir müssen nun mal auf den Freizeitverkehr reagieren.“ Diese Notwendigkeit sieht Gerhard Bänder nicht.

„Wir werden beobachten, wie viele Leute in den Zügen sitzen“, und legt gar einen Stopp des Fremdenverkehrs nahe. Diese Forderung geht jedoch Nidderaus Bürgermeister Gerhard Schultheiß (SPD) zu weit. „Da muss man die Verhältnismäßigkeit wahren“, sagt er. Schultheiß sitzt der AG Nahverkehr Niddertal vor, dem Zusammenschluss von Anliegerkommunen im Wetterau- und Main-Kinzig-Kreis. Natürlich sei der Einsatz der Dieselloks „lästig“, doch biete sich ja mit der Ausschreibung 2011 eine Perspektive. Auch sei die Einführung des neuen Lieschens just geschehen, um den Fahrrad-Tourismus zu fördern, erinnert Schultheiß. Darauf zu verzichten, sei indiskutabel. (den)