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Gegen die Stadt

Hasenfüßiges Urteil des VGH Kassel zur Ansiedlung des Möbelhauses Segmüller

Auf 45 000 Quadratmetern Fläche will das bayerische Mittelstandunternehmen Segmüller im Gewerbegebiet Quellenpark zwischen B3 und der Nordumgehung ein Möbelhaus bauen, 120 Millionen Euro investieren und rund 500 Arbeitsplätze schaffen. Doch bislang scheitert das an dem sturen Regionalverband und an dessen unsinnigem Festhalten an 800 Quadratmeter Nebensortiment, während mitkonkurrierende Möbelhäuser auch bis zu viermal mehr Fläche für diese „Nebensortimente“ haben. Bürgermeister Thomas Stöhr (links) – selbst Verwaltungsjurist – nahm an der Verhandlung am Verwaltungsgerichtshof in Kassel teil und war daher enttäuscht über das mutlose Urteil. Foto: Niehoff
Auf 45 000 Quadratmetern Fläche will das bayerische Mittelstandunternehmen Segmüller im Gewerbegebiet Quellenpark zwischen B3 und der Nordumgehung ein Möbelhaus bauen, 120 Millionen Euro investieren und rund 500 Arbeitsplätze schaffen. Doch bislang scheitert das an dem sturen Regionalverband und an dessen unsinnigem Festhalten an 800 Quadratmeter Nebensortiment, während mitkonkurrierende Möbelhäuser auch bis zu viermal mehr Fläche für diese „Nebensortimente“ haben. Bürgermeister Thomas Stöhr (links) – selbst Verwaltungsjurist – nahm an der Verhandlung am Verwaltungsgerichtshof in Kassel teil und war daher enttäuscht über das mutlose Urteil. Foto: Niehoff

Das Möbelhaus Segmüller muss seine Pläne, in der Süd-Wetterau eine Filiale errichten zu wollen, weiter hinausschieben. Der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat diese Pläne vorerst durchkreuzt.

Bad Vilbel / Kassel. „Nach dem Urteil in erster Instanz vor dem Gießener Verwaltungsgericht glaubten wir unserem Ziel schon ganz nah zu sein. Und dann dieser Rückschlag. Im Interesse aller Beteiligten wollten wir endlich Klarheit und dann wird unsere Klage aus rein formalen Gründen abgelehnt“, ärgerte sich Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) nach der Gerichtsverhandlung gestern vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof.

Eigentlich hatte nicht Bad Vilbel geklagt, sondern die Regionalversammlung Südhessen hatte gegen das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen Berufung eingelegt. Denn das hatte die Begrenzung der Verkaufsfläche für nicht zentrenrelevante Waren wie Geschirr, Lampen, Babyartikel oder Heimtextilien auf 800 Quadratmeter als Rechtsverstoß angesehen. Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte im Vorfeld dem Antrag der Stadt Bad Vilbel auf Erteilung einer Baugenehmigung für den insgesamt 45 000 Quadratmeter umfassenden Möbelmarkt zwar genehmigt und war damit von den politischen Zielvorgaben der Regionalversammlung auf möglichst ausgewogene Verteilung der Einkaufszentren auf die gesamte Region abgewichen. Denn Bad Vilbel war nach diesem Konzept nicht als Standort für ein derart großes Möbelkaufhaus vorgesehen.

Erlaubnis mit Haken

Die Erlaubnis enthielt allerdings einen Haken – und zwar sollten zentrenrelevante Nebensortimente nicht wie von Segmüller beabsichtigt auf einer Fläche von 3 900 m² Quadratmetern angeboten werden dürfen, sondern nur auf 800 m² Verkaufsfläche. Gegen die Einschränkung hatte die Stadt vor dem Verwaltungsgericht geklagt – und Recht bekommen. Die Regionalversammlung hätte demnach einen neuen Bescheid erlassen müssen.

Dagegen hat aber die Regionalversammlung Berufung eingelegt. Und zur Begründung vorgetragen, die Stadt habe nach Außerkrafttreten des Regionalplans Südhessen 2000 am 17. Oktober 2011 keinen Anspruch mehr auf Zulassung der beantragten Abweichung. Und auch nach dem aktuellen, im Oktober 2011 in Kraft getretenen Regionalplan Südhessen 2010 habe die Stadt keinen Anspruch auf Erteilung einer Abweichungsgenehmigung – weil sie diese formal auch gar nicht beantragt habe.

Ausführlich wurde sodann nun in Kassel erörtert, ob die Stadt Bad Vilbel bei Verstößen gegen einzelne Bestimmungen des Regionalplans (für den die Regionalversammlung Südhessen zuständig ist) oder gegen den regionalen Flächennutzungsplan (für den der Regionalverband Frankfurt / Rhein-Main zustädndig ist) die Stadt getrennt gegen die Bestimmungen vorgehen kann. Oder ob diese nicht vielmehr ein Gesamtwerk sind, aus dem man sich nicht ohne weiteres Teile herausgreifen könne – so die Auffassung des Gerichts.

Auch das Argument von Bürgermeister Stöhr und dessen Rechtsbeistand Alexander Volpert, dass in den Versammlungen der jeweiligen Gebietskörperschaften alle Punkte einzeln abgestimmt worden seien und sie deshalb auch getrennt in Frage gestellt werden können, beeindruckte das Gericht nicht. Vielmehr stellte es auf den Zeitpunkt der Antragstellung und Erteilung der Baugenehmigung ab. Da die Stadt den Antrag auf Realisierung des Bauvorhabens im Jahre 2009 gestellt hatte – zu einem Zeitpunkt als der alte Regionalplan Südhessen 2000 noch gültig war –, die Genehmigung aber 2011 erteilt wurde und zwar zu einem Zeitpunkt, als der neue Plan schon in Kraft war, hätte die Stadt den Antrag auf Abweichung vom Regionalplan neu stellen müssen. Das Gericht gab damit dem Antrag der Gegenseite wegen mangelnder Zulässigkeit und somit aus rein formalen Gründen Recht.

Stöhr ist sauer

Auch bei dem zweiten Antrag der Stadt auf Überprüfung der Gültigkeit des Regionalplans Südhessens wies das Gericht die Klage Bad Vilbels zurück. Die Stadt hatte zum einen eine Verletzung der Umweltschutzbestimmungen bei der Offenlegung des Regionalplans beanstandet und zum zweiten eine Verletzung europäischer Normen, da die Begrenzung der Verkaufsfläche der Niederlassungsfreiheit widerspreche und einem Berufsverbot gleich käme. Doch auch dieser Ansicht folgte das Gericht nicht.

Seiner Ansicht nach ist der Antrag auf Normenkontrolle unbegründet. Da die Politik Herr über das Raumordnungsverfahren sei, müssen derartige Eingriffe, beispielsweise zum Schutz des Einzelhandels, grundsätzlich möglich sein. Auch wenn die Urteilsbegründung im Einzelnen noch nicht vorliegt, ist Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stöhr ziemlich sauer: „Es kann nicht sein, dass wir jahrelang planen, alle möglichen Gremien damit befasst sind, und dann macht das Gericht aus lediglich formalen Gründen die Arbeit zunichte.“

Wie es jetzt weitergeht, ob er das ganze Verfahren noch einmal von vorne beginnen soll oder ob möglicherweise die Firma Segmüller nicht noch weitere Jahre warten will, dazu wollte er unmittelbar nach dem Urteil keinen Kommentar abgeben. Segmüller selbst hatte sich dazu nie öffentlich geäußert. Inoffiziell bekundete das Familienunternehmen mit Sitz im bayerischen Friedberg aber immer, nach wie vor Interesse am Standort Bad Vilbel zu haben. Seite 7