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Immer Ärger mit der Liebe

„Figaros Hochzeit“ bei den Burgfestspielen: Ein starker und spannender Saisonstart

Im Labyrinth von Intrigen und Versteckspielen verstricken sich alle in Mozarts Oper „Figaros Hochzeit“. In der Bad Vilbeler Inszenierung agieren (von links) Jessica Poppe (Marcellina), Frederic Mörth (Graf), Harald Hieronymus Hein (Figaro), Ye Xie (Gräfin), Kseniya Mitusova (Susanna) und vorn Ekaterina Aleksandrova (Cherubiono). Foto: Deul
Im Labyrinth von Intrigen und Versteckspielen verstricken sich alle in Mozarts Oper „Figaros Hochzeit“. In der Bad Vilbeler Inszenierung agieren (von links) Jessica Poppe (Marcellina), Frederic Mörth (Graf), Harald Hieronymus Hein (Figaro), Ye Xie (Gräfin), Kseniya Mitusova (Susanna) und vorn Ekaterina Aleksandrova (Cherubiono). Foto: Deul

Ein starker Auftakt. Mit „Figaros Hochzeit“ haben die Burgfestspiele die Saison begonnen. Die Mozart-Oper nicht nur für Kinder bietet aufregende Liebes-Verwirrungen auf höchstem musikalischen Niveau.

Bad Vilbel. Es hat schon Tradition, dass die Burgfestspiele nicht mit den Abendaufführungen beginnen, sondern mit dem Theater für Kinder. Doch gerade da zeigt sich der Qualitätsanspruch besonders, denn mit reiner Belustigung für die Kleinen haben die Inszenierungen in Kooperation mit der Frankfurter Musikhochschule nichts zu tun. Regisseur Benedikt Borrmanns Kurzfassung des „Figaro“ beeindruckt die jungen Zuschauer nicht mit Bühnen-Slapstick, sondern lässt sie staunen über die aufregende Welt der Oper. Er widersteht der Versuchung, das Verwirrspiel der Akteure durch Klamauk zuzuspitzen, was nur von dem Gesang ablenken würde.

Augenzwinkernde Duelle

Die Geschichte ist trotz ihres mäandernden Verlaufs straff erzählt. Der junge Figaro (Harald Hieronymus Hein) und seine Verlobte Susanna (Kseniya Mitusova) ziehen auf dem Schloss des Grafen (Frederic Mörth) ein, das sie als Schauplatz ihrer Hochzeit nutzen möchten. Doch nicht nur der Graf hat andere Pläne und ist selbst hinter Susanna her. Auch Figaros versetzte Ex-Verlobte Marcellina (Jessica Poppe) taucht auf und besteht auf ihren Vorrechten. Das Durcheinander der Gefühle eskaliert, zumal auch der Hausbursche Cherubino (Ekaterina Aleksandrova) zu allen unpassenden Gelegenheiten mitmischt und nur ein Ziel hat: „Ich liebe alle Frauen!“

Diese Handlung hat zunächst einmal wenig mit den Erfahrungswelten des kindlichen Publikums zu tun. Dennoch bleiben die jungen Zuschauer gebannt bei der Sache, denn die Szenen sind sehr dramatisch aufgebaut, fokussieren die Konflikte als augenzwinkernde Duelle. Als Figaro den Graf als Nebenbuhler entdeckt, setzt er an „zum Tänzchen“, packt eine Mistgabel, „da setz’ ich ihm zu“. Vor allem Cherubino wird zur Lustspielgestalt, die mit verzweifelter Arglosigkeit und Liebeslust hereinplatzt und sich deswegen ständig verstecken muss – mal in der Besenkammer, mal als Lampenschirm oder Karton mit Füssen.

Während die Herren ihren Leidenschaften ziemlich ausgeliefert sind, zeigen die Frauen Stärke, kämpfen, intrigieren, ziehen im Hintergrund die Fäden, wie die Gräfin. Sie gewinnt Susanna als Komplizin, um in einem Rollen- und Kleidertausch ihren untreuen Gemahl bloßzustellen. Das ist die große Schlussszene. Nach Figaros Schlafzimmer und dem Wohnzimmer des Grafen wandelt sich die Drehbühne zum nächtlichen Schlossgarten-Labyrinth, in dem alle Täuscher und Getäuschten zum finalen Verwirrspiel antreten. Damit das dunkel verbergende Grün der Nacht auch bei strahlendem Sonnenschein auf der Burgbühne erkennbar wird, sind die Akteure in Tarnanzügen unterwegs, selbst das Kammermusikensemble um den musikalischen Leiter Markus Höller trägt Kleidung mit aufgedrucktem Laubwerk.

Zwar kommt der titelgebende Figaro in der Inszenierung etwas zu kurz neben dem eitel aufbrausenden Grafen, der in aller Stille raffinierten Gräfin und dem stimmungsvollen Springteufel Cherubino, aber die Geschichte bleibt stimmig. Auch wenn Regisseur Borrmann in seiner Lieblings-Mozartoper das Chaos als gestalterisches Motiv heraushebt, wie bei Vorstellung des Stückes, so hat das doch System.

Kindliche Glücksgefühle

Es geht, und da steigen die jungen Zuschauer mit ein, vor allem darum, anerkannt und ernst genommen zu werden. Und im besten Sinne kindlich ist das Stück dann, wenn es das Durcheinander derer ausmalt, die einfach nur im Moment leben und darin glücklich werden wollen. Oder auch gemeinsam ins Heulen ausbrechen, wenn Susanna, die Gräfin und Cherubino erfahren, dass der enttäuschte Graf die Hochzeitsfeier absagen will.

Aber es gibt auch eine Nebenbühne für das Kammer-Quartett, das Mozarts Partitur in eine temporeiche Fassung für Piano, Flöte, Violine und Fagott überträgt. So sieht das Publikum statt einem Orchestergraben nebenbei ein kleines Konzert. Der Bad Vilbeler „Figaro“ ist eine bei allem Tempo und kindgerechtem Spielwitz aber auch eine starke, von starken Stimmen getragene Opern-Inszenierung über die Macht der Gefühle.