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Mehr Geld, Zeit und Zuwendung! – Erzieherinnen müssen sich heute oft als Familienersatz engagieren • Am Dienstag wieder gestreikt

Bad Vilbel. Die Passanten, die am Dienstag die Gruppe von Kita-Kindern händchenhaltend durch die Straßen ziehen sahen, lächelten ihnen liebevoll zu. Drei Erzieherinnen sind mitgegangen, damit die 14 Vier- bis Fünfjährigen aus der „Fledermaus“-Gruppe sicher durch die Stadt kamen. Dass der Alltag ihrer Erzieherinnen aber kein gemütlicher Zeitvertreib ist, wissen Betroffene. Daher kämpfen Erzieher und Erzieherinnen seit einigen Wochen um mehr Geld, Zeit und mehr Anerkennung ihrer pädagogischen Arbeit. Es sei der gestiegene Anspruch der Gesellschaft, der ihre Arbeit aufwendiger mache.

Vor allem ist es die Nachfrage nach Ganztagsplätzen. Sie sind an der Kita Kunterbunt schon die Regel: nur noch zehn der 68 Kinder werden bis nach dem Mittagessen abgeholt. Der Kindergarten, eigentlich eine familienergänzende Einrichtung, sei fast schon zum Familienersatz geworden, sagt Kita-Leiterin Marie Marowsky. Hinzu komme, dass es immer mehr Alleinerziehende gebe – und Kinder, die kein Deutsch könnten. „Man muss sich noch mehr engagieren“, sagt sie.

Mit Fingerspielen, Liedern und Reimen betreibe sie Sprachförderung, berichtet Spratler. Sie hat auch zehn „Bezugskinder“, deren Entwicklung sie intensiv verfolgen, dokumentieren und fördern soll. Damit verbunden sind Empfehlungen etwa zu Krankengymnastik oder Frühförderung. Zum Alltag gehört aber auch, die unendliche Neugier der Kinder zu stillen, Fragen zu beantworten wie „Wie viele Augen hat die Spinne?“ oder „Was macht der Wind, wenn er nicht weht?“.

Drei Stunden bleiben den Erzieherinnen wöchentlich für Organisatorisches, wobei zwei schon für die wöchentliche Mitarbeiterbesprechung verplant sind, wo die Entwicklung der Kinder ein großes Thema ist. Das Planen von Aktivitäten, wie dem Besuch am Dottenfelderhof, macht Spratler von zu Hause aus, dafür fehle ihr in der Kita die Zeit. Ihre Kinder haben sich eine Murmelbahn gewünscht. Für die Materialien bittet sie in ihrer Freizeit in Baumärkten um Spenden.

Doch auch für die Fortbildungen opfere sie ihre Freizeit, erzählt Spratler. Sie hat Wochenendkurse besucht, um sich weiterzubilden in Entspannungspädagogik, Kinesiologie oder Reggio-Pädagogik, „weil ich die Kinder im Blick habe, um sie besser zu fördern“. Und sie betont: „Wir müssen immer am Ball bleiben“. Stets gelte es, Neues aufzugreifen, seien es neue Erkenntnisse von gelenkschonenden Sportübungen bis hin zu neuen Liedern. Das Gehalt sei im Vergleich etwa zu Grundschullehrern nicht angemessen, klagen Spratler und ihre 19 Kolleginnen: „Wir legen schließlich die Grundlagen“. Dafür absolvieren die Erzieherinnen eine fünfjährige Ausbildung. Ann-Katrin Haweka hat sie absolviert, erhält im ersten Berufsjahr 2050 Euro brutto. Während der Ausbildung musste sie von 1200 Euro Praktikantengehalt brutto leben.