Veröffentlicht am

Per Mausklick zum Grillfest

Sie gehören zur Arbeitsgruppe, die nebenan.de in Vilbel etablieren will (von links): Iris Stockbauer, Dieter Richardt, Christa Hillenbrand und Ursula Schmalbach. Schon mal reingeklickt hat Hannelore Lotz vorn am Computer. Foto: Gottschalk
Sie gehören zur Arbeitsgruppe, die nebenan.de in Vilbel etablieren will (von links): Iris Stockbauer, Dieter Richardt, Christa Hillenbrand und Ursula Schmalbach. Schon mal reingeklickt hat Hannelore Lotz vorn am Computer. Foto: Gottschalk

Bad Vilbel. Die Nachbarschaftshilfe will mehr Bad Vilbeler animieren, ihre Nachbarn kennenzulernen. Dazu sollen sie sich auf der Onlineplattform nebenan.de anmelden, einem hyper-lokalen sozialen Netzwerk. Wie eine lebendige Nachbarschaft aussehen kann, zeigt die »Rosa Reihe« aus Dortelweil.
Immer mehr Menschen in Deutschland sind einsam. Experten sprechen gar von einer »Einsamkeitsepidemie«. Günter Bodirsky ist davon nicht betroffen. 1997 ist der heute 65-Jährige in das Neubaugebiet Dortelweil-West gezogen. »Wir wohnen im Elsterweg in einer Reihenhaussiedlung dicht beieinander. Toleranz, das Beachten von Regeln und gegenseitige Hilfe müssen da hoch im Kurs stehen«, erzählt er. Also ergriff Bodirsky die Initiative und veranstalte ein erstes Grillfest in seinem Garten. Es lohnte sich.
»Rosa Reihe« nennen die Anwohner im Elsterweg ihre rosa angestrichenen Häuser heute liebevoll. Das sommerliche Grillfest ist Tradition. »Und im Winter gibt’s auf der Straße Glühwein und Suppe, zu deren Gelingen jeder mit einer Handvoll Gemüse beiträgt«, erzählt Bodirsky. Längst organisiert er die regelmäßigen Treffen und Events nicht mehr allein. Die Nachbarn machen es gemeinsam. Es sind tatsächlich Freundschaften entstanden.
700 NUTZER IN BAD VILBEL
Den Geist der »Rosa Reihe« soll nun ein neues Projekt der Nachbarschaftshilfe nach ganz Bad Vilbel hinaustragen. Bodirskys Frau Christa Hillenbrand hat maßgeblich daran mitgewirkt. Sie gehört zu einer Arbeitsgruppe aus Haupt- und Ehrenamtlichen, die in Bad Vilbel ein Online-Nachbarschafts-Netzwerk etablieren möchten. Unterstützt wird dieses Vorhaben auch vom Seniorenbüro der Stadt.
Konkret geht es der Nachbarschaftshilfe darum, mehr Bad Vilbeler auf die Internetplattform nebenan.de zu locken. Wer sich anmeldet, muss seine Wohnadresse angeben und kann dann ein Profil erstellen und dort Interessen, Hobbys, Familienstand und vieles mehr eintragen. Der Clou: Den Nutzern werden nur die Accounts derer angezeigt, die in der direkten Nachbarschaft wohnen.
In sieben Quartiere teilt nebenan.de, das es auch als App fürs Smartphone gibt, Bad Vilbel ein. Anwohner können sich auf der Onlineplattform mit ihren Nachbarn in offenen und privaten Gruppen zum Doppelkopf verabreden, nach verwehten Grillabdeckungen fahnden oder gemeinsame Theaterbesuche planen. »Der Vorteil zu Facebook ist, dass nebenan.de lokal ist«, sagt Ursula Schmalbach vom Seniorenbüro. »Sie kennen die Gesichter dort. Außerdem sind alle persönlichen Daten, die angegeben werden, sicher.« 700 Vilbeler sind laut ihr schon auf der Plattform unterwegs, außerdem Organisationen wie die Nachbarschaftshilfe. Auch Unternehmen können sich dort einloggen. »Alles in allem eine gute Basis«, sagt Hillenbrand. »Wir wollen, dass noch mehr Leute aktiv werden.«
Die Nachbarschaftshilfe will Neugierigen den Weg in das Online-Netzwerk erleichtern. Sie stellt Berater, für alle die noch unsicher im Umgang mit nebenan.de sind.
Auf eineinhalb Jahre ist das ausgelegt. Danach sollen so viele Bürger sich auf der Website angemeldet haben, dass alles Weitere zum Selbstläufer wird. »Wir wollen den Leuten einen niedrigschwelligen, digitalen Weg bieten, in Kontakt zu kommen«, erklärt Hillebrand. Eine Hauptzielgruppe sind Senioren.
WICHTIGE SÄULE
»Wir hoffen aber, auch jüngere Menschen anzusprechen«, sagt Hillenbrand. Schließlich sei Einsamkeit nicht nur für Senioren ein immer größer werdendes Thema. »Nachbarn sind für mich neben Familien und Freunden die dritte wichtige Säule für ein gutes Leben.«
Das sieht Günter Bodirsky, gerade nach den Erfahrungen mit der »Rosa Reihe«, genauso. Es lohne sich, auf andere zuzugehen. Aber: »Wer lieber etwas auf Distanz bleiben möchte, auch kein Problem. Die Hauptsache ist, wir sind eine gute und harmonische Nachbarschaft, in der sich auch neu Zugezogene wohlfühlen.«
Von Alexander Gottschalk