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Pokern um Pünktlichkeit – Strecke zwischen Bad Vilbel und Frankfurt bleibt ohne 3. und 4. Gleis ein Nadelöhr

Niederdorfelden/Nidderau/Schöneck/Bad Vilbel. Alles schöner, alles neu, viel öfter und zuverlässiger – auf diese Zukunft hoffen tausende Fahrgäste des Stockheimer Lieschens. Doch wenn die Niddertalbahn ab 4. Mai endlich ihr neues, um 45 Prozent erweitertes Betriebsprogramm samt Wochenendverkehr aufnimmt, wird die Pünktlichkeit wohl ein Pokerspiel bleiben. Auch die insgesamt 60 Millionen Euro an Investitionen in die 31 Kilometer lange Bahnstrecke können den wichtigsten Problempunkt für Verspätungen nicht wettmachen: Dass die Züge weiterhin durch das Nadelöhr der Main-Weser-Bahn zwischen Bad Vilbel und Frankfurt hindurch müssen.

Nicht nur die Fahrgäste fiebern dem ersten Tag mit neuem Fahrplan gespannt entgegen. Die Verantwortlichen bei Bahn, Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und in den Anrainerkommunen genau so. „Wir haben ein Problem mit dem Engpass Bad Vilbel – Frankfurt“, gibt RMV-Sprecherin Petra Eckweiler zu. Der viergleisige Ausbau der Strecke liegt seit Jahren auf Eis. Anwohner und die Stadt Frankfurt streiten mit der Bahn vor Gericht. Die Folge: InterCitys, RegionalExpress-Züge, Regional-, S-Bahnen und die vielen Güterzüge müssen sich die nur zwei Gleise teilen. Ab 4. Mai kommen dann noch die zusätzlichen StadtExpress-Züge der Niddertalbahn mit ihren dann vier statt drei Doppelstockwagen dazu: Das Lieschen fährt künftig 17-mal am Tag bis in die Mainmetropole statt bisher sechsmal. So entsteht ein Stundentakt – und morgens nach Frankfurt sowie nachmittags von dort zurück sogar ein Halbstundentakt. „Technisch ist nicht mehr machbar“, sagt Petra Eckweiler.

Auch wenn heute schon jede Verspätung eines Zuges auf der hochbelasteten Main-Weser-Bahn einen Rattenschwanz an Verspätungen aller anderen Züge nach sich zieht: Entlang der Niddertalbahn übt man sich in Zuversicht, finanzieren Städte, Gemeinden und die Kreise Wetterau und Main-Kinzig den Mehrverkehr mit 2,6 Mio. Euro pro Jahr. „Wir gehen davon aus, dass die Bahn ihr Versprechen hält“, sagt Sunke Wetzstein auf die Frage nach der Verlässlichkeit des neuen Fahrplans. Die Nidderauer Umweltberaterin vertritt ihre Stadt in der AG Nahverkehr, dem Zusammenschluss von Anrainerkommunen und -kreisen.

Immerhin: Was auf der Niddertalbahn selbst machbar war, das hat die Bahn-Tochter DB Netz AG binnen der vergangenen zehn Jahre realisiert. Statt mit Tempo 60 sind die Züge dort mit 80 Sachen unterwegs. Das kann vor allem dabei helfen, dass sich kleinere Verzögerungen nicht zu größeren Verspätungen aufschaukeln. Auch können die Züge in den Bahnhöfen Niederdorfelden, Heldenbergen und Altenstadt künftig zeitgleich aus beiden Richtungen ein- und ausfahren. Das bringt weitere wichtige Minuten Zeitgewinn.

Zusätzlich rauschen morgens einige Züge „entgegen der Lastrichtung“ – also mit Fahrtziel Stockheim – in einigen der Schönecker Bahnhöfe durch. Das soll den Fahrplan stabil halten, erläutert der Betriebsleiter des Wetterauer Netzes der Bahn, Hans Bäcker.

Im Bad Vilbeler Bahnhof sollen zwei neue Weichen außerdem ein direktes Überwechseln der Stockheimer Züge auf die Main-Weser-Bahn möglich machen. „Der Knackpunkt bleibt die Strecke Bad Vilbel – Frankfurt“, weiß Hans Bäcker. Erst das dritte und vierte Gleis seien „Grundvoraussetzung zum vernünftigen Eintakten“ der Züge von der Niddertalbahn.

In der Bahn-Zentrale gehen die Planer von einem einwandfreien Betrieb aus: Die zusätzlichen Züge den Tag über „kriegen wir in den Takt“ rein, sagt Bahn-Sprecher Bernd Honerkamp. „Ein gewisser Spielraum“ sei für den Fall von Verspätungen anderer Züge einkalkuliert. Probleme in der Hauptverkehrszeit seien nicht zu erwarten, weil die Niddertalbahn dann auch heute schon bis Frankfurt durchfahre. „Da ändert sich nichts.“

Eine Folge fehlender Kapazitäten auf der Main-Weser-Bahn werden die Fahrgäste dennoch erleben: Drei Züge müssen nachmittags im Frankfurter Westbahnhof enden und beginnen. RMV-Sprecherin Eckweiler sieht das „unkritisch“, weil der Übergang zu mehreren S-Bahn-Linien von/zur Innenstadt ideal sei. Wichtiger sei, dass die Züge nun den ganzen Tag über bis Frankfurt fahren: „Die Durchbindung ist für viele Pendler ganz klasse“, ist Petra Eckweiler überzeugt. (den)