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Sie leben die Ökumene

300 Christen aller Konfessionen feiern im Gotteshaus der syrisch-orthodoxen Gemeinde

Traditionell feiern über 300 Massenheimer Christen gemeinsam ihr Gemeindefest. Erstmals ist jetzt die syrisch-orthodoxe Gemeinde der Gastgeber – und lädt mit frischem Schwung in ihr neues Gotteshaus ein.

Bad Vilbel. „Drei Gemeinden, ein Glaube, ein Fest“ – das Motto der Massenheimer Christen ist kein Werbeslogan, sondern gelebte Ökumene. Denn nicht erst zum Gemeindefest wird die Gemeinsamkeit betont, sondern seit drei Jahren. Es war zu Weihnachen 2014, als die syrisch-orthodoxe Gemeinde ihr eher provisorisches Gemeindehaus in einer Lagerhalle hinter dem Nordbahnhof aufgab – und fortan ihre Gottesdienste in der Massenheimer Herz-Jesu-Kirche begehen durfte, erinnert sich Zeki Tutus, der Vorsitzende des Beytzebdey Kulturvereins, dem Träger der orthodoxen Kirchengemeinde.

Damit wiederholt sich die Geschichte, denn die Massenheimer Katholiken haben Ende der 1960er-Jahre in der evangelischen Kirchengemeinde einen Ort für ihre Gottesdienste gefunden – bis sie 1970 ihre eigene Herz-Jesu-Kirche eröffneten. Aus dieser Vorgeschichte heraus ist es verständlich, dass in Massenheim vieles normal erscheint, was andernorts für Abgrenzung sorgt: gemeinsame Pfingstgottesdienste und als nächstes den gemeinsamen Gottesdienst zum Auftakt des Massenheimer Dorfplatzfestes am 3. September.

Beschwörende Mystik

Doch nun können die syrisch-orthodoxen erstmals selbst Gastgeber sein – auf dem großzügigen Platz vor ihrer erst am 30. April eingeweihten neuen Kirche. Erstmals ist diesmal keine Zeit für einen gemeinsamen Gottesdienst zum Auftakt, doch dafür gibt es zum Abschluss ein Schlussgebet in gleich zwei Sprachen. Pfarrer Charbel Imghimiz erteilt den Segen auf Aramäisch, sein katholischer Kollege Herbert Jung und Johannes Misterek, der scheidende evangelische Pfarrer, auf Deutsch. Kraftvoll trägt der Frauenchor der Gemeinde das Gebet auf Aramäisch vor – was den Worten in der Sprache Jesu und in dem eigentümlichen Rhythmus des Sprechgesangs eine beschwörende Mystik verleiht. Viele Massenheimer haben diesen Nachmittag genutzt, um erstmals einen Blick ins neue Gotteshaus zu werfen. Dabei hört man viel Lob über die helle, freundliche Atmosphäre mit liebevoll gestalteten Jesus-Wandmalereien und hellen, naturalistischen Glasmalereien.

Es gibt aber auch Vertrautes auf dem Fest: das Konzert des katholischen Blasorchesters Massenheim. Dirigent Peter Lüttig spornt seine Musiker bis zum Schluss an, zum Abschluss gibt es einen Marsch, „damit eröffnen wir unsere neue Probesaison“, sagt er.

Gemeinsam feiern

Nebenan steht wieder die Hüpfburg, gesponsert vom Verein „Wir Massemer“, auch die Line Dance-Gruppe tritt erneut auf. Neu dagegen ist die junge Tanzgruppe der syrisch-orthodoxen Gemeinde, deren junge Frauen einen Kreistanz zeigen, dessen Musik den Zuschauer in den Südosten der Türkei versetzt. Dort, im Kalksandsteingebirge Turabdin, der Wiege der Christenheit, wurden die Dörfer der aramäischen Christen in Kämpfen mit dem türkischen Militär und den Kurden zerstört, die meisten Bewohner waren in das bis vor einigen Jahren sichere Syrien geflohen. Nach Bad Vilbel kamen die orthodoxen Christen in den 1970er-Jahren. Inzwischen gehören ihr 120 Familien an.

Es wird gemeinsam gefeiert, mit einem Ziel: „die Liebe und Geborgenheit unseres Herren Jesus Christus“, so Pfarrer Imghimiz. Sein katholischer Kollege Herbert Jung schenkt eine Bronze mit dem Heiligen Nikolaus. Das Geschenk der evangelischen Massenheimer blüht bereits draußen vor der Kirche: ein zur Kircheneinweihung gepflanzter Apfelbaum. Ebenso verwurzelt und verästelt sei bereits seit 30 Jahren die Beziehung unter den Christen – „und wir lernen weiter voneinander“, sagt Pfarrer
Johannes Misterek.