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„Stolpersteine“ poliert

Schüler wollen Erinnerung an verfolgte jüdische Vilbeler aufrechterhalten

Liv-Greta Bartholmess und Annika Ziehen (rechts) putzen gemeinsam mit ihren Mitschülern die Stolpersteine in der Frankfurter Straße. Eine wichtige Aktion, wie nicht nur Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann anerkennt. Foto: Mag
Liv-Greta Bartholmess und Annika Ziehen (rechts) putzen gemeinsam mit ihren Mitschülern die Stolpersteine in der Frankfurter Straße. Eine wichtige Aktion, wie nicht nur Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann anerkennt. Foto: Mag

Vor allem in der Innenstadt entlang der Frankfurter Straße sind sie zu finden: Stolpersteine – kleine, in den Boden eingelassene Gedenktafeln, die an die Vertreibung und Ermordung Bad Vilbeler Juden im Dritten Reich erinnern. 2006 wurden die ersten Stolpersteine verlegt, diese zehn Jahre sind ihnen auch anzusehen. Eine AG des Georg-Büchner-Gymnasiums machte sich auf, um den kleinen Hinweisen wieder Glanz zu verleihen.

Bad Vilbel. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, hatte der Künstler Gunter Demnig einmal über seine Stolpersteine gesagt. 15 Schüler der siebenten Klassen des Georg-Büchner-Gymnasiums haben sich an diesem Nachmittag mit Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann sowie Silke Schöck und Eva Raboldt von der Bürgeraktive verabredet. Die Lehrerinnen Bärbel Thiessen und Nina Wollenhaupt haben sich die Aktion mit den Schülern ausgedacht.

Das Ehrenamt komme häufig zu kurz in der Gesellschaft, deshalb hätten beide die Nachmittags-AG zum Thema „Soziales Engagement“ ins Leben gerufen. In der Frankfurter Straße auf Höhe der Wiesengasse gibt Claus-Günther Kunzmann zuerst eine kleine Einführung: „Der Künstler Gunter Demnig betreibt das seit vielen Jahren und in ganz Europa auf Initiative der jeweiligen Gemeinden“, beginnt er.

25 Orte des Gedenkens

Auf Initiative des Bad Vilbeler Geschichtsvereins, des Initiativkreises Stolpersteine Bad Vilbel und des Fachbereichs Kultur der Stadt verlegte Demnig in den Jahren 2006 bis 2009 insgesamt 25 Stolpersteine in der Frankfurter Straße. In den Boden eingelassen würden die Stolpersteine immer am letzten freiwilligen Wohnort der jeweiligen Person. „Dadurch wird im Straßenbild gezeigt, was die Nazis eigentlich vernichten wollten. Die Steine sind klein, dezent, aber präsent.“

Euthanasie-Opfer

Kunzmann gibt einen Einblick in seine Ideen, denn er wünscht sich noch weitere Steine, und zwar für die Opfer der Euthanasie: „Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung wurden von den Nazis ebenfalls verschleppt und auch ermordet, weil sie als ,minderwertiges Leben‘ bezeichnet wurden“, erklärt er den Schülern. In Bad Vilbel seien fünf solcher Fälle bekannt. Desweiteren bedankt sich der Kulturamtsleiter bei den Jugendlichen für das große Engagement. Die Steine zu putzen sei nicht nur symbolisch wertvoll: „Es ist auch schön, wenn sie einfach wieder glänzen“, findet Kunzmann.

Die Lehrerinnen Nina Wollenhaupt und Bärbel Thiessen haben für ihre Schützlinge Stadtkarten mit den exakten Positionen der Stolpersteine vorbereitet. In zwei Gruppen geht es die Frankfurter Straße in entgegengesetzten Richtungen entlang. Mit einem Metallreiniger und Putztüchern machen sich die Jugendlichen an die Arbeit und schrubben den Schmutz der Jahre von den Stolpersteinen. Die Furchen werden mit Zahnbürsten gesäubert.

Entstanden ist die Idee in der Bad Vilbeler Bürgeraktive, wie Silke Schöck erklärt: „Eines unserer Mitglieder hatte gefragt, ob wir eine Idee hätten, wie die Steine gepflegt werden könnten. Wir haben uns daraufhin an das Georg-Büchner-Gymnasium gewandt und in der AG für soziales Engagement die perfekten Helfer gefunden“, freut sie sich. Die Kosten für die Putzmittel habe dann die Stadt übernommen.

Gutes Gefühl

„Die Beschreibung der AG hat uns damals einfach angesprochen“, sagt die zwölfjährige Annika Ziehen. Ihre Freundin Liv-Greta Bartholmess (12) findet: „Man fühlt sich selbst einfach gut, wenn man etwas für andere macht.“ Gerade wenn man solche Aktionen unterstütze, die einen unmittelbaren Effekt hätten, wie das Putzen der Stolpersteine. Denn nachdem die Schülerinnen mit einem Stolperstein fertig sind, glänzt und leuchtet dieser wieder, als sei er gerade erst neu verlegt. „Da sieht man wirklich den Unterschied, wenn man so daran vorbei geht“, erkennt Annika Ziehen stolz.

Auch weitere Aktionen hat die die Arbeitsgemeinschaft geplant. Die Schüler wollen wöchentlich einen Kindergarten im Ort besuchen, ein Kind zugewiesen bekommen und sich mit diesem auf längere Zeit beschäftigen, stellen die Schülerinnen die Pläne der Arbeitsgemeinschaft vor.

Soziales Engagement


Die Schüler-AG „Soziales Engagement“ des Büchner-Gymnasiums unterstützt auch eine Blindenschule in Kamerun. „Dort herrschen sehr ärmliche Verhältnisse, nicht einmal die Lehrer können bezahlt werden“, erklären Liv-Greta Bartholmess und Annika Ziehen. In der eigenen Klasse habe man bereits 250 Euro an Spenden gesammelt, außerdem sollen Bastelarbeiten am Tag der offenen Tür des Georg-Büchner-Gymnasiums am 19. November verkauft werden, um weitere Spenden für die Schule in Kamerun zu sammeln. (nma)