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Tafeln wie bei Luther

Michaelisgemeinde schafft besonderen Ort zum Austausch

Karl Schneider (links) und Margrit Pfaff (rechts) sind mit ihren Nachbarn und Freunden Erika und Ulrich Kussmaul Gäste der Luthertafel. Foto: Kötter
Karl Schneider (links) und Margrit Pfaff (rechts) sind mit ihren Nachbarn und Freunden Erika und Ulrich Kussmaul Gäste der Luthertafel. Foto: Kötter

Freunde, Fremde, ja gar Feinde an einer langen Tafel zusammenzubringen: Das hat Martin Luther einst in seinem Wittenberger Haus geschafft. Die Klein-Karbener Kirchengemeinde hat es nun nachgemacht – und in seinem Andenken zu einem ganz besonderen Sonntag geladen.

Karben. Genüsslich pickt Margrit Pfaff einen Bissen von ihrem Teller. „Mmmh, probier mal!“ Sie lächelt ihren Partner Karl Schneider an und deutet auf die Vielfalt vor ihr: selbst zusammengestellte Salate, Antipasti, frisches Baguette – allesamt serviert von Karbenern für Karbener. Denn an diesem Sonntag essen die beiden keinesfalls „gewöhnlich“ zu Mittag: Gemeinsam mit ihren Nachbarn und Freunden Erika und Ulrich Kussmaul sind sie Gäste der Luthertafel. 2500 Karbener Haushalte hat die evangelische Kirchengemeinde St. Michaelis Klein-Karben mit Flugzetteln eingeladen, mit eigenem Besteck und Geschirr und einer Gabe für das Karbener Buffet zur Tafel vor die Kirchmauer zu kommen.

Am Büfett findet sich so eine Vielzahl unterschiedlichster Speisen, Wasser schenkt die Kirchengemeinde aus, ebenso gibt es vom Weindepot Birkmeyer und dem Geibelhof gespendete Weine. Das Duo „EigenArt“ aus Nidderau spielt im Hintergrund Musik, während die vier Freunde auch mit ihren Sitznachbarn ins Gespräch kommen und hier und dort heiteres Gelächter erklingt. „Tatsächlich ist genau das die Idee: Menschen zusammenzubringen, Freunde, aber auch jene, die sonst vielleicht nicht zusammen essen würden“, erklärt Horst Heckel, Mitglied des Kirchenvorstands. Und das Konzept scheint aufgegangen zu sein: Er habe zahlreiche Besucher aus angrenzenden Kirchengemeinden gesehen, so Heckel.

Die Idee ist keinesfalls neu, erklärt Pfarrer Werner Giesler im Gottesdienst. Sie stammt vielmehr aus dem Haus von Martin Luther und seiner geschäftstüchtigen Ehefrau, der gebürtigen Katharina von Bora. Sie hat Zimmer im Wittenberger Haus an Studenten vermietet. „An der langen Tafel kamen so regelmäßig Gespräche über Gott, die Welt, Menschen und das Leben auf“, sagt Giesler.

Von diesen Gesprächen handelt auch das Theaterstück, das an diesem Morgen Einblicke in Luthers Leben gibt. Die insgesamt fünfköpfige Truppe junger Laienschauspieler, die fest zur Klein-Karbener Kirchengemeinde gehört, erntet dafür starken Applaus.

500 Jahre nach dem Anschlagen von Luthers 95 Thesen fasziniere ihn weniger die Historie selbst als vielmehr das Leben Luthers mit all seinen Sorgen und Ängsten, sagte Giesler. „Uns geht es auch darum, zu zeigen, dass Glaubensfragen keine Fragen der Vergangenheit, sondern der Gegenwart sind.“

Dass das Stück dabei nicht wie einst angekündigt auf dem neuen Theaterplatz stattfinden konnte, wird nicht negativ wahrgenommen. Und die Besucher freuen sich über die Ankündigung Gieslers, der eine Einweihung des Platzes im Frühjahr in Aussicht stellt – dann mit einem zweistündigen Stück, das dem Theaterplatz gerecht werde. „Bezahlt wird nicht“, eine Farce des italienischen Literaturnobelpreisträgers Dario Fo, soll dann einstudiert werden. (jkö)