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Von der Ex-Freundin gelinkt � Kostenlose Schuldnerberatung von ehrenamtlichen Experten der Arbeiterwohlfahrt

Bad Vilbel. „Die Ursachen für eine hoffnungslos erscheinende finanzielle Schieflage sind unterschiedlich“, weiß Ursula Bergmann, die mit Annette Jost das neunköpfige Team der kostenlosen Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) führt. 2009 kamen monatlich zwischen vier und 16 in Not geratene Menschen zu ihnen.

„Gerade bei kleineren Gewerbetreibenden führen oft schon geringfügig erscheinende Umsatzeinbrüche zu Schwierigkeiten“, so Bergmann. Denn Mieten und Nebenkosten, Steuern, Krankenkassenbeiträge, Darlehenszinsen und weitere Fixkosten liefen unverändert weiter. Häufig sei auch noch das letzte Privatgeld in den Laden geflossen. Aber auch plötzliche Arbeitslosigkeit oder eine Krankheit könnten die Finanzplanung umwerfen. Das Gleiche gelte für eine Scheidung. Bergmann: „Häufig verbergen sich hinter einem finanziellen Kollaps unglaubliche Vorfälle, die sich schwer verallgemeinern lassen.“ Wie zum Beweis erscheinen zwei Männer mit unterschiedlichen Geschichten. Bergmann, die beruflich als Chefsekretärin tätig war, der Unternehmensberater Fritz R. Müller sowie der Hotelkaufmann Jacques Indemans haben gestattet, in der Sprechstunde dabei zu sein, da die Besucher einverstanden sind.

Der erste Klient, Mitte 50, kommt ohne Voranmeldung „einfach mal so vorbei“. Er hat 17 000 Euro Schulden bei einer Bank und 3000 bei der Jobkomm, „die ich nie zurück zahlen kann“. Nachdem es im Kohlensäurewerk keine Arbeit mehr gab, wechselte der gelernte Kupferschmied in den Sicherheitsbereich am Flughafen. Doch dann wurde er arbeitslos und verfiel der Spielsucht. Da es kein Problem gewesen sei, Geld von der Bank zu bekommen, habe er sich „immer mehr reingeritten“. Er war vor etwa einem Jahr schon bei der Schuldnerberatung, als die Bank ihm das Angebot machte, mit einer einmaligen Sofortleistung von 4900 Euro die Sache zu bereinigen. Doch dann wurde der Hartz-IV-Empfänger rückfällig. Mittlerweile ist er nach einer Therapie „spielfrei“ und überzeugt, dank seiner ambulanten Nachsorge es auch zu bleiben. Um Bewerbungsgespräche führen zu können, leistet er sich ein Flatrate-Handy. Sein Schufa-Eintrag verhindert einen Festnetzanschluss.

Die Berater sind sich einig, dass es für ihn keine Alternative zu einer Privatinsolvenz gibt. Deshalb wird der Mann mit Kontaktdaten versorgt. Bergmann verweist auf die Möglichkeit, am Awo-Mittagstisch teilzunehmen und sich bei der Vilbeler Tafel mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so rasch mit einem positiven Ergebnis rausgehe“, sagt der Mann, als er geht.

Völlig anders liegt der zweite Fall. Ein Mann kommt mit Unterlagen in mehreren Aktenordnern. Er hat einen guten Arbeitsplatz, macht eine zusätzliche, durch ein Darlehen auf eigene Kosten finanzierte Ausbildung und lebt im eigenen Haus. Sein Schuldendienst ist überschaubar. Problem: eine Ex-Freundin hat ihn mit Telefonrechnungen in astronomischer Höhe sitzen gelassen. Nun ist auch das Haus in Gefahr. Für ihn ist eine Privatinsolvenz keine Lösung. Die Berater überlegen mit ihm, ob die Beleihgrenze erhöht, die Bank für eine Stundung gewonnen, die Verpflichtungen auf eine zweite Hypothek umgeschuldet werden können. „Natürlich kennen wir Möglichkeiten, wie wir Leuten aus den Schulden helfen“, sagt Müller. „Aber vielleicht ist unsere Lebenserfahrung bei der Beratung noch wichtiger.“ Indemans sieht vor allem die Flexibilität der Berater als großen Vorteil an sowie die „absolute Vertraulichkeit“. (bep)

Sprechstunden der Schuldnerberatung: montags von 9 bis 10 Uhr im Haus der Begegnung, Marktplatz 2, donnerstags von 13 bis 14 Uhr im Awo-Café, Wiesengasse 2, sowie dort auch ein Mal im Monat freitags von 20 bis 21 Uhr. Nähere Auskünfte unter (0176) 51007904 (Anrufbeantworter), oder www.schuldnerberatung-badvilbel.de.