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Zeichen für Aufschwung – Das Gotteshaus steht seit 300 Jahren in der Ortsmitte von Okarben

Karben. Wenn Steine sprechen könnten – die evangelische Kirche von Okarben hätte viel zu erzählen. Dreihundert Jahre ist sie alt, und die Gemeinde feiert in diesem Jahr das Jubiläum. Die in Stein gemeißelte Jahreszahl 1708 über dem Seiteneingang nennt das Datum der Einweihung, das für die 300 Dorfbewohner damals sicher ein großes Ereignis war. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass es aufwärts ging, ein halbes Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg.

Das Gotteshaus in Okarben war ursprünglich eine kleine achteckige Marienkapelle auf römischen Fundamenten gewesen. Doch Ende des 17. Jahrhunderts war sie in so einem ruinösen Zustand, dass keine Predigten mehr darin gehalten werden konnten. „Die Kapelle hatte als Pferdestall und Unterkunft für durchziehende Soldaten gedient, war schmutzig, baufällig und einfach in einem elenden Zustand“, sagt Ortshistoriker Helmut Heide vom Geschichtsverein Karben.

Für den Burggrafen von Friedberg, der die Hand über Okarben hielt, sei es ein Zeichen der neuen Ordnung gewesen, den Anwohnern eine schöne Saalkirche mit einem dreistöckigen Haubendachreiter zu bauen. Auch an der Innenausstattung sparte der Bauherr nicht, davon zeugen die bemalten Brüstungstafeln, die Empore und die Barockkanzel. An dieser Kirche kam jeder vorbei, der den alten Handelsweg zwischen Frankfurt, Kloppenheim, Okarben, Wöllstadt und Friedberg passierte.

Das neue Gotteshaus wurde am alten Standort gebaut, leicht erhöht in der Ortsmitte auf den Fundamenten der alten Kapelle. Der heutige Altarraum ist die halbe frühere Marienkapelle, und erhalten sind alte Wandmalereien. Wer sich die Mühe macht auf die Orgelempore zu klettern, kann hinter der Orgel zwei Fresken in zarten, verblassenden Farben entdecken. Eines stellt Moses mit den Gesetzestafeln dar, das andere lässt sich nicht genau identifizieren. Protestantisch war Okarben seit 1555. Berühmt war der erste Pfarrer Johannes Genßkrack, ein abtrünniger Mönch des Klosters Ilbenstadt, der auf Geheiß des Friedberger Burggrafen den protestantischen Glauben in Okarben einführte. In den Kirchenbüchern ist seit 1629 jeder Pfarrer, jede Eheschließung und Taufe aufgeführt. Diese vergilbten Dokumente werden sorgfältig von Pfarrer Eckhard Dautenheimer aufbewahrt.

Doch zurück ins Jahr 1708. Damals regierte in Preußen Friedrich I. und das kleine Wetterauer Dorf Okarben gehörte zum Territorium der „Freyen Reichsburg Friedberg“ mit dem Burggrafen Löw von Steinfurth. Sein Wappen ist an der Orgelbrüstung zu sehen, daneben das seines Finanzverwalters und Baumeisters. „Wir haben eine schöne Kirche, nicht zu klein, nicht zu groß und mit wunderbarer Innenausstattung“, sagt Kirchenvorstandsmitglied Wolfgang Böhm, der zum Jubiläum eine Kirchenbeschreibung erstellt hat. Mit ganz anderen Augen betrachte er jetzt die Brüstungsmalereien, die Jesus, die zwölf Jünger, Johannes den Täufer, Paulus und die acht Propheten des Alten Testamentes zeigen. Die barocke Kanzel sei 1859 übermalt worden, doch 1908 konnten die Bilder von vier Evangelisten freigelegt werden.

Schwer beeindruckt ist Böhm vom Geläut der Kirche. Auf schmaler Stiege ist er den Turm hochgeklettert und hat die drei Glocken unter die Lupe genommen. Selbst die kleinste und älteste, die beim „Vater Unser“ erklingt, wiegt 380 Kilogramm und trägt das Datum 1738. Die mittlere Glocke stammt aus dem Jahr 1935, während die größte Glocke einst im Ilbenstädter Kloster läutete, bis sie 1810 nach Okarben verkauft wurde. Die erste Orgel wurde zwischen 1781 und 1784 installiert und 1908 ersetzt.

Die Kirche wurde bei der Sanierung 1983 gründlich untersucht. Doch manches Rätsel blieb. Ein schlichter Kopf aus Stein wirft Fragen auf: Das Original liegt im Gemeindearchiv, eine Replik ist an der Außenmauer des Chores in einer Nische zu sehen. Ist es ein so genannter Neidkopf oder ein Christuskopf des 11. Jahrhunderts, der einst das Portal der Marienkapelle schmückte? Gerne würde Böhm auch wissen, was es in der Gruft unterhalb des Altarraumes zu entdecken gibt. Sie wurde vor Jahrzehnten zugemauert . . .