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Ein Missverständis

Zur Hilfe von Muslimen für Flüchtlinge

Zum Leserbrief von Hakan Cicek und dem vorausgegangen Bericht über die Äußerung von Isil Yönter „Warum helfen Muslime nicht?“ (22. Oktober und 15. Oktober) veranlasste Hans Tuengerthal zu folgenden Zuschrift:

Der Leserbrief von Hakan Cicek „Stinksauer“ als Antwort auf Frau Yönters Anfrage „Warum helfen Muslime nicht“, beruht meiner Einschätzung nach auf einem Missverständnis. Sicherlich wird kaum einer der Bad Vilbeler Bürger bezweifeln, dass es auch Moslems gibt, die sozial engagiert sind und auch schon gute Taten getan haben, wie sie vom Briefschreiber skizziert wurden. Dennoch wundert viele Deutsche wie wenig arabische Staaten dazu beitragen das Elend in den kriegsgeplagten islamische Staaten zu lindern, weil sie auch eine religiöse Solidarität erwarten, zumal ausreichend Wohlstand in den arabischen (Öl-) Staaten vorliegt.

Natürlich kennt der Islam soziale Pflichten, die das Miteinander erleichtern. Und der Islam kennt auch eine Solidarität innerhalb der Umma, der Glaubensgemeinschaft. Die 5 Säulen des Islams – auch als Pflichten des Moslems bezeichnet – geben den Rahmen für das Miteinander und Füreinander in der Glaubensgemeinschaft. Das sind Bekenntnis, Gebet, Fasten, Pilgerfahrt und Almosen. Letzteres dient auch der Pflege des sozialen Umfeldes, um Neid und Eifersucht zu verringern. Aber die Almosen werden personenbezogen gegeben, nicht anonym. Das kennen andere Kulturen auch, z.B. die Buddhisten, denn sie schaffen nicht nur das Gefühl „Gutes zu tun“, sondern sie werden auch von Gott belohnt. Was aber das Christentum kennzeichnet, ist die verlangte Caritas (aus dem lateinischen Hochachtung, Nächstenliebe, Wohltätigkeit), die allen gewährt wird, die sie benötigen. Daraus hat sich in der mitteleuropäischen Tradition eine anonyme Verpflichtung entwickelt, sie auch jenen zu gewähren gilt, die nicht der eigenen Glaubensgemeinschaft angehören. Das sind auch die Grundlagen eines modernen Sozialstaates, der allen die Menschenwürde zu garantieren versucht und deshalb für die materiellen Grundlagen sorgen muss.

Auf mehr als 25 Reisen in und durch islamische Staaten habe ich immer wieder eine „biblische“ Gastfreundschaft erlebt, sie war auf mich persönlich bezogen, für sie zeigte ich mich auch dankbar. Auch habe ich auf meinen Reisen durch gemischt islamisch/christliche Gebiete (z.B. Sahel) beobachtet, dass es dort zahlreiche Moscheen UND Koranschulen gab. Sie waren grundsätzlich nur für Rechtgläubige zugänglich. Ich bin in zwei Entwicklungshilfeprojekten (Schulen) engagiert, das eine in Kenia (Eldoret), das andere in Burkina-Faso. In keinem der beiden Projekte ist die Teilhabe vom „richtigen“ Glauben abhängig.

Gemeinnütziges internationales Engagement der reichen Erdölstaaten, besonders von Saudi-Arabien, findet fast ausschließlich im Bau von Moscheen und Koranschulen statt, auch in christlichen Staaten, während sie Vergleichbares in moslemischen Staaten sanktionieren.

Aber solange in Deutschland eingewanderte Moslems von uns soziale Dienstleistungen erwarten und dann uns in christlicher Nächstenliebe agierende Eingeborene als „Ungläubige“ bezeichnen, gibt es genügend Anlässe für Missverständnisse – bemühen wir uns sie zu verringern!

Hans Tuengerthal, Bad Vilbel

LESERBRIEFE stellen nicht die Meinung der Redaktion dar. Kürzungen behalten wir uns vor.