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»Historica Velwila« lässt das Mittelalter auferstehen

Der Verein beim Vilbeler Marktumzug im vergangen Jahr. Die mittelalterliche Kleidung ist komplett selbst gemacht.. Foto: Privat
Der Verein beim Vilbeler Marktumzug im vergangen Jahr. Die mittelalterliche Kleidung ist komplett selbst gemacht.. Foto: Privat

Das Smartphone hat Pause

Bad Vilbel. Männer und Frauen sitzen an der Feuerstelle, auf der ein großer Kessel steht. Es wird viele gelacht, doch etwas ist anders. Ihre Kleidung ist aus Leinen und kommt nicht vom Discounter, sondern ist handgemacht. Statt Messer und Gabel aus Metall benutzen sie selbst geschnitzte Holzlöffel. Zum Schlafen geht es nicht in den Wohnwagen, sondern in ein Zelt aus Leinen. Wenn der Mittelalterverein »Historica Velwila« lagert, dann fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt.

»Eigentlich war es Zufall«, erinnert sich die Vereinsvorsitzende Katja Kropp. Denn als sie vor zwölf Jahren mit ihrer Familie den Mittelaltermarkt auf der Ronneburg besuchte, war die Vereinsgründung  kein Thema.
Doch der Zufall wollte es anders.         »Ich entdeckte ein schönes Kleid. Doch es einmal im Jahr zu tragen, lohnte sich nicht«, lacht Kropp. Sie ließ sich anstecken vom »Mittelalterfieber« und langsam     breitete es sich  über ihren Freundeskreis aus, bis alle eine mittelalterliche Gewandung hatten. Und die wollte auch getragen werden!
»Ritter und das Mittelalter waren für uns als Familie schon immer ein verbindendes Element, es ist etwas, was uns alle fasziniert hat«, sagt Kropp. Doch durch die Gründung des Vereins im Sommer 2007 nahm es eine neue Form an: Gemeinsam lagert der Verein auf Mittelaltermärkten in Kleidung und in Zelten, die es vor mehr als 1200 Jahren gab. Gekocht werden mittelalterliche Gerichte, unterhalten wird das Publikum mit Bogenschießen, Handwerk und Musik – und das Smartphone bleibt aus.

Unerreichbar befreiend
»Das Lagern ist für uns etwas ganz Besonderes«, erklärt Kropp. »Für mich ist es ein riesiges Stück Freiheit, quasi wie ein Kurzurlaub.« Dass das Handy ausbleibt, finden die Vereinsleute toll. »Heutzutage ist das Leben sehr schnell. Ständig muss man erreichbar sein. Sich keinen Stress wegen ständiger Erreichbarkeit zu machen, das ist ungeheuer befreiend!«
Der Verein hat zwar seinen Schwerpunkt auf dem frühen Mittelalter vom 8. bis zum 10. Jahrhundert, der Wikingerzeit, doch Einschränkungen macht der Verein nicht. »Manche Vereine spezialisieren sich auf eine Epoche, und wenn die Kleidung nicht passt, kann man nicht mitmachen«, sagt Kropp.
Burgfräulein und Ritter, das sieht man bei dem Verein aber nicht. »Ich wollte nie ein Burgfräulein sein«, erklärt die Vorsitzende. »Wir stellen lieber die normalen Leute dar.«
Der Verein fertigt am liebsten alles selbst an. »Jeder kann etwas anderes, und so ergänzen wir uns gut«, weiß Kropp. In den zwölf Jahren hat sich eine große Zahl an Gegenständen angesammelt, die selbst hergestellt wurden. Von Messern über Truhen, Kettenhemden und Schilden bis hin zu Glasperlen.

Alle packen mit an
Doch auf die Errungenschaften der Neuzeit wird nicht ganz verzichtet. »Selbstverständlich gibt es heute vieles im Internet, und diese Möglichkeit nutzen wir natürlich«, sagt die Vorsitzende. »Doch der Austausch findet auch so statt. Wenn wir auf einem Lager sind, entdecken wir immer wieder neue Dinge. Dann fragt man eben nach: Hey, wie habt ihr das hergestellt, wie können wir das selbst machen?«
Wenn gekocht wird, packen alle mit an. Während zwei Leute sich um den großen Kessel kümmern in dem alles zubereitet wird, ist der Rest fürs Schnippeln eingespannt. »Wir kochen nach mittelalterlichen Rezepten, doch es ist eher fürstlich«, sagt Kropp. »Die normalen Leute würzten kaum, es gab Suppe oder Brei. Bei uns gibt es schon mal Hühnchen, aber kein Wild, denn das war schließlich dem König vorbehalten.«
Vor allem aber wird es beim Lagern nie langweilig. »Viele Mitglieder haben die ganze Familie dabei, je nachdem wie alt die Kinder sind, beschäftigen sie sich selbst und erkunden den Markt«, so Kropp. »Wir kehren zwar immer wieder zu unseren Zelten zurück, doch alles ist offen, jeder ist willkommen.«