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Kein Hecht, aber Karpfen im Käscher – Wasser im Burggraben abgelassen, um maroden Damm zur Nidda zu sanieren

Viel Schlamm und Schlick im derzeit fast trockenen Burggraben. Foto: hir
Viel Schlamm und Schlick im derzeit fast trockenen Burggraben. Foto: hir
Zu einer Kette geformt und bis zu den Knien im Schlick steckend treiben im Burggraben die Angler die Fische langsam und dem Strom des ablaufenden Wasser folgend in die Netze der Käscher. Foto: den

Bad Vilbel. Dutzende Passanten streifen an diesem Samstagmittag durch den Bad Vilbeler Burgpark. Viele junge Leute, aber auch die Elternfraktion ist stark vertreten. Doch nur wenige von ihnen schauen von ihren Handys auf, und die es tun, sind baff: Fischer stehen mitten im Burggraben, und der ist vom Wasser so gut wie entleert. »Was passiert hier?« Die Frage der Spaziergänger muss Marco Weller alle paar Minuten beantworten. »Der Graben wird leer gefischt, weil der Damm zur Nidda saniert werden muss«, erläutert der Vizechef des Bad Vilbeler Angelsportvereins. Gute vier Stunden wird es dauern, bis nahezu alle Fische aus dem Burggraben gerettet sind.

Mit rund zwei Dutzend Helfern ist der Verein an diesem Tag angerückt. In Wathosen geht es, teils per Seil gesichert, in den Graben hinab. Bis zu den Knien versinken die Angler dort im Schlick. Nur noch einige Zentimeter tief steht das Wasser in einigen Teilen des Burggrabens. »Wir haben den Wasserspiegel in den vergangenen Tagen nach und nach gesenkt«, erklärt Marco Weller. Nicht nur, um die Tiere an der tiefsten Stelle zusammenzutreiben. Sondern vor allem, um sie auf die Abfischung vorzubereiten.

STRESS FÜR DIE FISCHE: »Der Winter ist ideal für so etwas«, erklärt der Fischereifachmann. Üblicherweise gebe es solche Aktionen im Herbst. Doch die Stadt sei erst Ende Dezember auf die Angler zugekommen und habe sie um Unterstützung gebeten. Denn der Damm, der den Burggraben von der Nidda trennt muss saniert werden. Dafür muss der Graben aber geleert werden.

Bei den niedrigen Wintertemperaturen seien Fische oft in einem Schlafmodus, erklärt Weller. Deshalb habe man sich recht spontan fürs Abfischen entschieden, da die Temperaturen aktuell noch nicht so extrem niedrig seien. Durch das stufenweise Ablassen des Wasser seien die Fische quasi aufgeweckt worden – damit sie die Umsiedlungsaktion wirklich problemlos überstehen. »Jedes Rausfangen ist ja Stress.«

Eine Mitstreiterin kommt mit einem Eimer vorbei, zeigt Marco Weller den Fisch darin. Der fragt: »Barsche?« Sie nickt. »Dann ab in die Nidda«, heißt es. Ein kleines Stück oberhalb des Mühlenstegs setzen die Angler jene Fische in den Fluss ein, die dort heimisch sind.

KEIN HECHT ABER KARPFEN:  Auch Gewässerökologe Gottfried Lehr aus Bad Vilbel schaut sich die Aktion an. Mit seinem Wissen kann er zusätzlich helfen bei der Entscheidung, welche Fische direkt in den Fluss können. Dass fast nur heimische Fische im Graben schwimmen, überrascht Marco Weller ein wenig. »Wir hatten nur eine fremde Art, einen einzelnen Goldfisch.« Den setzen die Angler in einen Privatteich ein. Das größte Exemplar ist an diesem Mittag ein Zander, 70 Zentimeter lang. »Ich hatte auch mit einem Hecht gerechnet«, sagt der Vereinsvize. Fehlanzeige. Aber immerhin einige große Karpfen sind dabei.

Im Graben haben sich die Angler zu einer Reihe aufgestellt. Ganz langsam schieben sie das Netz vor sich her. Damit treiben sie die Fische in Richtung des ablaufenden Wassers. Auf der anderen Seite verjüngt sich das Netz zu einem Trichter. Mit Käschern fischen dort zwei Angler die Fische ab. Dafür nutzen sie eine schonende Methode: Mit leichtem Stromschlag werden die Tiere betäubt. »Das hält nur zwei Minuten an«, erklärt Gottfried Lehr. Aus dem Käscher geht es in einen Eimer, den tragen Helfer nach oben.

Dort werden die Fische dann in große Bottiche gesetzt – wo sie zu sich kommen. Marco Weller beobachtet genau, was aus dem Graben kommt. »So viele Jungfische«, sagt er. »Echt eine Überraschung.« Viele kleine Barsche und Rotaugen sind es. Was wohl daran liegt, dass die Pumpe, die das Wasser aus der Nidda in den Burggraben befördert, nebenher nicht nur viele Sedimente ansaugt, sondern auch Fischlarven. Die schlüpfen dann im Graben.

Plötzlich wird Marco Weller von der Niddaseite her gerufen: »Oh, schau mal da!« Am Auslauf des Burggrabens am Damm sitzt einer der recht seltenen und scheuen Eisvögel. Einige Angler fangen an zu lachen. »Nicht einmal eine Stunde, und er hat schon gecheckt, dass es hier Mittagessen gibt«, sagt Weller. Als ob der Eisvogel mitbekommt, dass alle Blicke auf ihn gerichtet sind, fliegt er nach wenigen Sekunden davon. (den)