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Keiner wird im Stich gelassen

Bürgeraktive feiert 30. Geburtstag – Menschen zusammenbringen ist oberstes Gebot

Die Bürgeraktive feierte ihr 30-jähriges Bestehen. Die Gäste wurden dabei mit auf eine Zeitreise genommen. Ging es in den ersten Jahren noch darum, Gemeinschaft zu stiften und Orte des Zusammenkommens zu ermöglichen, hat sich der Schwerpunkt inzwischen zu medizinischen Themen verschoben.

 

Bad Vilbel. „Ich erinnere mich zurück, als wäre es gestern gewesen“, erzählt Anke Tuengerthal und schwelgt in Erinnerungen an die aufregende Gründungszeit der Bürgeraktive von 30 Jahren. „Einmal standen wir am Bahnhof und haben Leute angeregt mitzumachen, manche haben uns komisch angeschaut. Fremde Leute einfach ansprechen, das war damals gar nicht üblich“, sagt sie lachend. „Da sieht man auch, wie viel sich seitdem verändert hat.“

Mehr als 100 Gäste im Gemeindezentrum St. Nikolaus hören ihr gespannt zu. Denn Thuengerthal gehört zu den letzten Personen, die damals bei der Gründung mit dabei waren.

„Bürgermeister Günther Biwer wollte einen Ort der Begegnung schaffen. Ehrenamtlich sollte das sein“, blickt sie auf die Anfänge zurück. „Das gab es damals ja gar nicht! In vielerlei Hinsicht war das Konzept der Bürgeraktive für uns alle neu.“ So ging es dem Verein nicht um Sport oder Veranstaltungen, sondern einzig um den Menschen und darum, Möglichkeiten zu schaffen, Menschen zusammenzubringen und gesellige Gemeinschaft zu stiften.

Schnell wurde damals ein aktiver Kern gefunden. „Das war eine großartige Aufbruchstimmung“, erinnert sich Thuengerthal. „Der Zusammenhalt war sehr stark, und wir halfen uns gegenseitig.“ Das Motto „Eine Stadt hilft sich selbst“ entstand. „Das Tolle für mich war, dass es keine Konkurrenz zu anderen Vereinen gab“, sagt auch die seit vielen Jahren engagierte Helga Bluhm. „Stattdessen wurde zusammengearbeitet.“ In der Frankfurter Straße Nummer 15 entstand zu dieser Zeit auch das Büro. „Es stand immer offen für alle. Und so ist es ja heute noch.“

Es war einfach toll

Langfristige Vereinsziele gab es dabei nie. Stets entwickelte sich der Verein am Bedarf der Menschen: „Wir fragten uns immer wieder: Was interessiert uns, was möchten wir teilen“, erklärt Bluhm. „Als erstes entstand ein Kreis zu Erziehungsfragen, dann ein Frauenkreis. Alles diente der Selbstfindung und dem gegenseitigen Helfen. Es war einfach toll!“

Auch in den folgenden Jahren tat sich einiges: Neue Gruppen entstanden und immer mehr Leute kamen dazu. Eine davon ist Doris Hofmann-Berger. „Gute Erinnerungen habe ich an die „Atem ist Leben“-Gruppe“, erzählt sie. „Noch heute wende ich damals gelernte Techniken an. Doch ich wollte nie nur nehmen: Für mich gehörte bei der Bürgeraktive auch immer das Geben dazu. Angebote aktiv mitgestalten, das war mir sehr wichtig.“

Doch natürlich gibt es auch noch viele andere Gruppen, wie „English Conversation“. „Nachdem ich in Rente ging, wollte ich wieder Englisch lernen“, erzählt Georg Brennig. In der Gruppe könne er sich einfach ausprobieren und auch mal Fehler machen. „Ich finde es klasse und dafür sage ich danke!“

Fokus verschoben

Mit der Zeit verschob sich allerdings der Fokus der Bürgeraktive: Es entstanden viele Selbsthilfegruppen zu medizinischen Fällen, insbesondere zu schweren Erkrankungen. Hier soll ein Austausch zwischen Betroffenen und Angehörigen geschaffen werden, es wird über die Krankheit, aber auch über vieles mehr geredet.

„Für uns ist das eine wichtige Stütze“, sagt Rüdiger Hamber von der BiLi-Gruppe, bei der es darum geht Menschen mit Behinderungen ins gemeinschaftliche Leben zu integrieren. „Wir haben gemeinsam viel Spaß. Besonders schätzen es die Teilnehmer, dass wir dort auch mal nicht über die Krankheit sprechen, sondern gemeinsam Ausflüge unternehmen und einfach mal Leben können. Das alles hat das Leben so vieler Menschen so ungeheuer bereichert.“ „Ohne unsere Förderer wäre die ehrenamtliche Arbeit gar nicht möglich. Das so viele von ihnen heute zu uns gekommen sind, darüber freuen wir uns sehr“, sagt auch Eva Rabold von der Selbsthilfekontaktstelle der Bürgeraktive. Besonderer Dank ging dabei an den Wetteraukreis, die gesetzlichen Krankenkassen und nicht zuletzt die Stadt Bad Vilbel selbst.

„Die Arbeit, die in den Selbsthilfegruppen geleistet wird, kann man nicht hoch genug schätzen“, sagt der Landrat des Wetteraukreises, Jan Weckler (CDU). „Besonders bei seltenen Erkrankungen fühlen sich viele Patienten allein gelassen. In der Selbsthilfegruppe erfahren sie fachliche und emotionale Unterstützung, Gleichgesinnte zu treffen gibt ihnen eine wichtige Stütze.“

Große Aufgabe

Da stimmt auch Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) zu. „Es ist eine große Aufgabe bei mittlerweile 35 000 Einwohnern unserer Stadt, solche Probleme zu meistern. Als mein Vorgänger Günther Biwer damals auf die Idee kam, konnte ja noch niemand ahnen, wie sich alles entwickeln würde.“ Doch zeige das langfristige Engagement der Bürgeraktive, wie lebendig die Quellenstadt sei, hier werde niemand im Stich gelassen.

„Gerne helfen wir bei ihrer Arbeit mit Fortbildungen weiter“, sagt auch Susanne Strombach, Koordinatorin Patienten und Selbsthilfe bei der AOK. „Ich glaube, besonders die Gesundheitskompetenz zu fördern, muss in Zukunft ein wichtiges Anliegen werden. Wir müssen weg vom Bild des Arztes als Halbgott in Weiß, hin zu einem informierten Patienten. Sie leisten da unschätzbar wichtige Arbeit.“