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Schwieriger Balanceakt

Entlang der Friedberger Straße in Dortelweil fließen die meisten Gewerbesteuereinnahmen. Doch nun signalisiert der „Walking Man“ der Bildhauerin Eva Renée Nele eine ganz neue Situation: Es geht zwangsweise um den Balanceakt zwischen einem attraktiven Gewerbeansiedler Bad Vilbel und einem schuldenfreien Haushalt. Foto: Kopp
Entlang der Friedberger Straße in Dortelweil fließen die meisten Gewerbesteuereinnahmen. Doch nun signalisiert der „Walking Man“ der Bildhauerin Eva Renée Nele eine ganz neue Situation: Es geht zwangsweise um den Balanceakt zwischen einem attraktiven Gewerbeansiedler Bad Vilbel und einem schuldenfreien Haushalt. Foto: Kopp

Anheben statt senken: Vor kurzem noch sollte der Gewerbesteuerhebesatz in Bad Vilbel schrittweise gesenkt, nun muss er wohl schrittweise erhöht werden. Und zwar deftig von 300 Prozentpunkten auf 357. Dies trifft vor allem die Unternehmen, aber auch die Bürger.

Bad Vilbel. Obwohl die Stadt Bad Vilbel erst kürzlich über 20 Millionen Euro an Schulden tilgen konnte und dies auch im Jahr 2016 noch einmal vorhat, erreicht sie nun ein schwerer Schlag bezüglich der Planungen, für Gewerbe einen attraktiven Standortfaktor zu schaffen.

Schuld daran ist eine Vorgabe aus dem Wiesbadener Finanzministerium. Wegen schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft rückte die Stadtspitze bereits davon ab, den Gewerbesteuerhebesatz von 300 Prozentpunkten schrittweise auf 280 Punkte zu senken. Nun wird sie erhöhen müssen, 2015 auf 330, im Jahr darauf sogar auf 357 Punkte,

Denn zur Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs verfügte das Finanzministerium, dass der Nivellierungssatz für kreisangehörige Städte ab 2016 von 310 auf 357 Prozentpunkte angehoben werde. Bedeutet: Egal, welchen Gewerbesteuerhebesatz eine Kommune real hat, für Abgaben wie etwa die Kreis- und Schulumlage werden 357 Prozentpunkte berechnet. Hat eine Kommune weniger, muss sie aus anderen Einnahmen ausgleichen. Das würde auch die Bürger betreffen, da dieses Geld nicht mehr für Leistungen zu ihrem Wohle zur Verfügung stehen würde. Und die ansässigen Unternehmen würden quasi subventioniert, da die Stadt bei einem niedrigeren Satz Ausgleichszahlungen für die ihnen zugrunde gelegten Steuern bezahlen müsste. Bei einem höheren Satz ist das Gegenteil der Fall, Bürger profitieren von Zusatzeinnahmen. „Wenn wir nicht anheben, kostet uns das Hunderttausende“, schildert dazu Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU). Doch Stöhr geht auch davon aus, dass selbst Kommunen wie Eschborn mit Hebesätzen von 280 Prozent anheben müssen. „Die Differenz wird sonst einfach zu groß. Wenn Sie wegen ihres niedrigen Hebesatzes gute Einnahmen haben, können Sie auch mal ein Schnäppchen mehr darauflegen. Doch bei dieser Differenz ist das nicht mehr machbar“, ist sich Stöhr sicher.

Stöhr beharrt auch immer noch darauf, dass sich die Senkung auf 280 Prozentpunkte rentiert hätten, „wenn die prognostizierte Gewinnverlagerung nicht aufgefressen worden wäre“. Nun müsse man aber auf die neuen Signale reagieren, die Finanzminister Schäfer bereits Ende September erstmals präsentiert hatte. Selbst er habe von einem deutlichen, aber notwendigen Schritt gesprochen.

Um aber keine zu starke Steigerung des Hebesatzes in einem Schritt zu vollziehen, soll bereits 2015 bei 330 Prozent der Mittelwert gefunden werden. Auch weil der neue Nivellierungshebesatz ab 2016 auf das Steueristaufkommen 2014/2015 angerechnet wird.

Die neuen Sätze seien zunächst auf fünf Jahre festgesetzt, so das defizitäre Kommunen wohl nicht noch mehr anheben müssen. Dennoch treten sie nun in starke Konkurrenz zu Kommunen ohne Haushaltsminus und Schutzschirmkommunen. Diese können immer noch frei über den Hebesatz entscheiden. Doch etwa Karben habe ohnehin einen Hebesatz von 340 Prozentpunkten, „hier ist der Unterschied nicht so groß“, schildert Stöhr. Und er bekundet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um möglichst bald wieder über eine Absenkung sprechen zu können. Dann aber müssten die Gewerbesteuereinnahmen wieder signifikant steigen. „Unter den aktuellen Voraussetzungen und vor allem den Vorgaben der Finanzaufsicht muss aber nun zum Wohle der Stadt gehandelt werden, auch wenn es schwer fällt“, sagt Stöhr.

Die CDU unterstützt dieses Vorgehen. Fraktionsvize Karl-Peter Schäfer erläuterte, welche finanziellen Auswirkungen der höhere Satz hat: „Eine Erhöhung um 57 Punkte schlägt sich bei einem Ertrag von 100 000 Euro mit Mehrkosten von rund 2000 Euro nieder. Wir halten das für vertretbar.“