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Tagesklinik für psychiatrische Erkrankungen eröffnet • Bild der Gesellschaft wandelt sich

Sie bilden das Personal der neuen Einrichtung in Bad Vilbel. Doch Chefarzt Dr. Michael Putzke (Dritter von rechts) sucht noch weitere Kräfte. Foto: Kopp
Sie bilden das Personal der neuen Einrichtung in Bad Vilbel. Doch Chefarzt Dr. Michael Putzke (Dritter von rechts) sucht noch weitere Kräfte. Foto: Kopp

Früher waren es „Irre“, die weggesperrt gehörten. Dieses Bild hat sich glücklicherweise gewandelt. Denn heute bietet sich Menschen mit psychischen Erkrankungen ein breites Therapiespektrum. Nun auch in Bad Vilbel. Vorige Woche wurde die Psychiatrische Tagesklinik am Biwer-Kreisel eröffnet.

Bad Vilbel. Die Behandlung psychisch erkrankter Menschen in der Wetterau gilt als Modellprojekt. Nur 13 Kliniken in Deutschland, davon drei in Hessen heben die künstliche Trennung zwischen stationärer, teilstationärer und ambulanter Behandlung in Tageskliniken auf und können so eine „den Bedürfnissen der Patienten angepasste Behandlung anbieten“, freut sich Dr. Michael Putzke, Chefarzt der neuen Tagesklinik, die in der Frankfurter Straße 124 eröffnet wurde.

Sei es früher darum gegangen, Langzeitpatienten vollstationär medizinisch zu betreuen, so gehe es nun darum, ein Weiterleben in der gewohnten Umwelt zu fördern, die Bindung zu den Angehörigen zu erhalten. Das unterstützt auch der Wetterauer Landrat Joachim Arnold (SPD): „Die Sichtweise auf psychische Erkrankungen hat sich deutlich gewandelt, denkt man einmal an Hadamar zurück“, verweist Arnold auf Nazi-Experimente und die systematische Tötung betroffener Menschen während des Zweiten Weltkriegs.

Barrieren aufbrechen

Doch auch heute noch gebe es Denkbarrieren, die sich um die Worte „irre“ und „nicht menschlich“ drehten. Deswegen sei es um so wichtiger, Einrichtungen wie hier an zentraler Stelle in der Stadt zu schaffen, spricht Arnold die Verantwortlichen der Stadt und der Stadtwerke um Betriebsleiter Klaus Minkel an und spricht ihnen seinen Dank aus. „Dieses Angebot ist ein großer Gewinn für Menschen aus Bad Vilbel und der Umgebung“, befindet er. Damit abgerundet werde die flächendeckende, aber auch an Bevölkerungszentren ausgerichtete Versorgung Betroffener im Wetteraukreis. Gemeinsam mit weiteren Einrichtungen in Friedberg und Nidda-Bad Salzhausen könnten Patienten nun gut versorgt werden.

Und Arnold gibt zu bedenken, dass sich die Krankheitsbilder wandeln: „Wir alle werden älter, es treten vermehrt psychische Krankheiten auf, die es früher nicht oder kaum gegeben hat.“

Ein Argument, das von Putzke unterstützt wird. In Bad Vilbel gebe es bislang keine psychiatrischen Kollegen, die Angebote für Kassenpatienten machten. Eine Psychiaterin arbeite in einer Praxis für Privatpatienten, ein Kollege biete nur Psychotherapie an.

Das aber läuft in der neuen Einrichtung anders. Denn gerade die Vernetzung der Disziplinen sei hier entscheidend. Immer zwei Mitarbeiter des bislang elfköpfigen Teams kümmern sich um jeweils einen der bis zu 20 Patienten. So sollen die Betroffenen eine maßgeschneiderte Therapie erhalten und abends wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können.

Stärkeres Miteinander

„Das ist ein wesentlicher Schritt für unsere Stadt, die infrastrukturell und auch in der medizinischen Betreuung bereits einiges erreicht hat“, pflichtet ihm Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn (FDP) bei. Offenheit und Geborgenheit gingen hier Hand in Hand.

Das Drei-Stufen-Modell wird in Friedberg seit 2003 mit großem Erfolg praktiziert, schildert Dr. Dirk Fellermann, Geschäftsführer des Gesundheitszentrums Wetterau (GZW), unter dessen Federführung die Tagesklinik betrieben wird. Seit 1. Januar 2016 läuft das Modellprojekt mit fließenden Übergängen auch in Kooperation mit den Krankenkassen.

Das bedeutet, dass es keine Patientenzimmer gibt, nur Aufenthalts- und Funktionsräume. Patienten interagieren miteinander, das Personal ist auch außerhalb der Therapiezentren stärker mit den Patienten konfrontiert. „Ich war positiv erschreckt, wie harmonisch die Verhandlungen mit den Kassen abliefen“, heimst sich Fellermann noch Lacher der anwesenden Vertreter aus Politik und Gesundheit ein.

Verschiedene Profile


In der Tagesklinik werden die 20 Behandlungsplätze für Menschen vorbehalten, die sich zuvor in vollstationärer Behandlung befanden. Sie werden stabilisiert, bei Krisen gibt es eine Intervention.

Aber auch, wenn eine ambulante Behandlung nicht ausreicht oder eine vollstationäre nicht erforderlich ist, soll die Tagesklinik Bad Vilbel eine Versorgungslücke schließen. (kop)