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Theatersommer: Stripper erobern die Burg – Und dann fühlt es sich an wie immer

Unter der Regie von Bernie (Sonja Herrmann) zeigen drei der vier wagemutigen Herren schon mal, was sie tänzerisch und mit möglichst viel Selbstbewusstsein bei öffentlichen Auftritten drauf haben. Foto. Eugen Sommer
Unter der Regie von Bernie (Sonja Herrmann) zeigen drei der vier wagemutigen Herren schon mal, was sie tänzerisch und mit möglichst viel Selbstbewusstsein bei öffentlichen Auftritten drauf haben. Foto. Eugen Sommer

Bad Vilbel. Vor wenigen Wochen schien es noch unmöglich: Eine Premiere in der Bad Vilbeler Burg noch in diesem Sommer. Und doch ist genau das   passiert. Vor ausverkauftem Haus konnte »Ladies Night« das Vilbeler Publikum begeistern und trotz Corona kam das Sommertheatergefühl auf.

Natürlich ist es ungewohnt, beim Eintreffen an der Burg keine Menschenmassen zu sehen, die über die Brücke spazieren, die Bänke in der Gastronomie füllen oder sich in Gruppen unterhalten. Auch fehlt der Anblick der mächtigen Tribüne, aber dennoch: Kurz vor Beginn der Premiere von »Ladies Night« füllt sich der Burghof mit Menschen in sommerlichem Outfit, die Schutzmasken vor Mund weichen bald Sekt- und Weingläsern, ein Sommerwind weht und die Fanfare ertönt. Und plötzlich fühlt es sich an wie immer.
Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU)  geht in seiner Begrüßungsrede dennoch auf diese besondere Premiere ein: »Es ist eine außergewöhnliche Situation und dennoch schön.« In Zeiten, in denen es die Kultur mehr als schwer hat, habe es das außergewöhnliche Team der Burgfestspiele geschafft, einen Theatersommer auf die Beine zu stellen. Auch Intendant Claus-Günther Kunzmann drückt seine Freude aus. »In den vergangenen Wochen musste alles sehr schnell gehen, doch das sei geglückt«, sagt er.

Liebenswerte Verlierer
Dann geht es los, »Ladies Night« eröffnet die Festspielsaison 2020. In Großbritannien ist die Geschichte angesiedelt und dreht sich um vier liebenswerte Verlierer. Craig (Volker Weidlich), Norman (Lukas Schwedeck), Barry (Raphael Köb) und Gavin (Theodor Reichardt) kommen nach einer Kneipenschlägerei ins Grübeln. Alle vier sind arbeitslos, stagnieren in ihrem Leben, verspüren jedoch einen gewissen Tatendrang.
Eine Zeitungsanzeige bringt den vieren plötzlich den entscheidenden Einfall. Warum nicht als Stripper arbeiten? Schließlich verdienen die bekannten Chippendales damit ein Vermögen. »Wir sind 20, 40, 50 und 60 Jahre alt«, lautet eines der Gegenargumente bei der Diskussion, die zwischen den vier Männern entbrennt. Dennoch: Craig plant das Business-Modell, und die Jungs überlegen, wie sie auftreten könnten. Doch worauf fahren Frauen eigentlich ab? Eher auf E-Gitarren oder Mönchskutten?

Die Komödie nimmt mit Näherrücken des ersten großen Auftritts der Männer Fahrt auf und profitiert von den vier sehr unterschiedlichen Charakteren, die zudem von den Darstellern wunderbar zum Leben erweckt werden. Sonja Herrmann spielt als Fünfte im Ensemble die toughe Clubbesitzerin Bernie, die den vier Männern eine Chance geben will, wenn auch die ersten Tanzversuche nicht ganz perfekt laufen.

Übers Ziel hinaus
Zwar zeigen die Tänzer viel Enthusiasmus, schießen aber meilenweit über das Ziel hinaus. Als Highlight ist hier die Kaiser-Nero-Stripeinlage von Theodor Reichardt zu nennen, die dem Publikum vor Lachen die Tränen in die Augen treibt.
Die Geschichte um die vier Briten ist charmant und mitreißend erzählt, trotz des eigentlich schlüpfrigen Themas halten sich die »schmutzigen« Witze in Grenzen. Es ist leichte Kost, die Regisseur Christian H. Voss innerhalb von rund drei Wochen mit dem Festspielteam auf die Bühne gezaubert hat. Beim finalen Auftritt der vier Möchtegern-Tänzer wird das Vilbeler Publikum zu Besuchern von Bernies Stripclub, Mitklatschen, Anfeuerungsrufe und Pfiffe sind erwünscht und werden von den Gästen auch gerne verteilt.

Gehörige Portion Lebensfreude
Wie der große Auftritt von Craig, Norman, Barry und Gavin verläuft, wird nicht verraten. Nur so viel: Die Burg-, pardon, die Stripclubbesucher können sich auf ein spektakuläres Finale freuen. Die Stimmung ist ausgelassen, die Festspiele bringen mit »Ladies Night« eine gehörige Portion Lebensfreude unters Theatervolk – kontaktlos versteht sich. Bleibt die Frage, ob sich der Theatersommer 2020 anfühlen kann wie die Burgfestspiele in den vergangenen Jahren. Kurze Antwort: Ja!

Die nächsten Vorstellungen

Die nächsten Vorstellungen von »Ladies Night«: täglich vom 6. bis zum 10. August. Weitere Termine und Reservierung siehe www.kultur-bad-vilbel.de. Eintrittskarten kosten 26,80 Euro und sind im Vorverkauf im im Klaus-Havenstein-Weg 1, Telefon (0 61 01) 55 94 55, erhältlich. (nma)