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10 Mäuse am Tag

Bad Vilbel. Mohr näherte sich erneut dem Horst auf der zum neunten Mal kostenlos zur Verfügung gestellten Arbeitsbühne von Helmut Mertins aus Rendel. Kurz bevor er die zwölf Meter hohe Kinderstube erreichte, verließen die aufgeregten Storcheneltern ihren Nachwuchs. Maxi fiel in Akinese (Totstell-Reflex), als ihm Richard Mohr einen ELSA-Ring (European Laser Signed Advanced Ring) unterhalb Sprunggelenk am linken Bein befestigte. Mit den schwarzen laserbeschichteten Kunststoffringen werden Störche in Deutschland seit 2003 beringt. In weißer Schrift ist der Buchstaben-Ziffern-Code (Ringnummer) „8X650“ aufgedruckt. Die Ringnummern sind senkrecht angeordnet und können mit einem Teleskop bis auf etwa 200 Meter Entfernung abgelesen werden.

Der Ring wird in ungeraden Jahren am linken, in geraden Jahren am rechten Bein befestigt. Die Daten über die Jungtiere und deren Ringnummern werden in den Beringungszentralen auf der Vogelwarte Helgoland (Wilhelmshaven), Hiddensee (Neuenkirchen) und Radolfzell gespeichert. „Wir verwenden amtliche Ringe der Vogelwarte Helgoland“, berichtete Mohr. Durch die Beringung erhalten Vogelkundler aktuelle Erkenntnisse über die Brutgebiete, Flugrouten, Zugverhalten, Alter, Nachkommen, Sterbe-Ursachen und Überwinterungsgebiete der Adebarpopulation.

Aus sicherer Entfernung beobachteten die Storcheneltern sowie die 43 Jungen und Mädchen aus dem Gronauer Kindergarten „Löwenburg“ und die 40 Gronauer Grundschüler die Aktion. Storchenvater Klaus Hermann berichtete den Kindern, dass er am Tag zuvor den Kadaver eines weiteren Jungstorches unter dem Nest fand. „Der war vermutlich krank. Damit er Maxi nicht ansteckte, haben ihn die beiden Altvögel aus dem Nest geworfen.“ 2004 hatten die Gronauer Storcheneltern auch nur ein Junges, das überlebte. Damals hatten sie drei Eier ausgebrütet, dieses Mal nur zwei.

Maxi ist gut genährt, wie Beringer Mohr, der für die Regierungsbezirke Darmstadt und Gießen zuständig ist, feststellte. „Ein Jungstorch braucht mindestens zehn Mäuse am Tag als Futter.“ Nach der Beringung verteidigten die auf den Horst zurückgekehrten Störche mit lautem Schnäbelklappern ihren Nachwuchs und ihr Revier. Am Himmel kreisen seit dem Morgen vier Jungstörche, die sich für den drei Meter höheren OVAG-Horst in der Nähe interessieren. Mohr berichtet den interessiert zuhörenden Kindern, dass viele Störche den Winter nicht mehr in Westafrika verbringen, sondern nur noch in den Süden Spaniens und Frankreichs fliegen. Einige wie Fritz und Frieda überwintern in Deutschland.

„Dank der Spende von Metzgermeister Christian Wenzel mussten Fritz und Frieda im Winter nicht hungern. Die Schlachtabfälle aus der Gronauer Metzgerei dienen unseren Störchen bei Eis, Schnee und Kälte als Futter“, berichtete Hermann.