„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Das Sprichwort ist mir in den letzten Wochen leider des Öfteren begegnet. Hätte man lieber nicht so blauäugig den amerikanischen Geheimdiensten oder einem Bischof vertraut. Wir können vermutlich weitere Beispiele anfügen, an denen wir direkt beteiligt waren. Hinterher ist man aber immer schlauer.
Dabei ist es doch wichtig, Freunden zu vertrauen (womit ich allerdings keine Geheimdienste meine), und auch wir Kirchenvertreter/innen leben vom Vertrauen in unsere Integrität und Ehrlichkeit. Wie schlimm, wenn das enttäuscht und verspielt wird. Wem soll man dann noch trauen?
Also doch besser kontrollieren? Für die Bereiche von Datenschutz und Finanzierungen stimmt das und da hat man wohl eher etwas nicht wahr haben wollen. Aber ich möchte mich nicht von der Kontrolle leiten lassen, erst recht nicht, was mein persönliches Lebensumfeld angeht. In meinem alltäglichen Leben vertraue ich ganz vielen Menschen und zwar oft ohne Beweise. Ich vertraue darauf, dass die Werkstatt meine Winterreifen sicher montiert und erst recht vertraue ich darauf, dass Freunde und meine Familie mich nicht betrügen. Jeder von uns vertraut vielen Menschen. Wer meint, alles erst kontrollieren zu müssen, wird dabei oftmals krank, verlernt aber vor allem Vertrauen zu üben. Ich finde, das ist eine passende Redewendung: „Vertrauen üben“, denn manchmal erfordert es Übung von mir, jemandem zu vertrauen. Ich erinnere mich noch gut daran, als mein Sohn seine ersten Schulwege alleine ging. Es hat mich Überwindung gekostet, nicht hinter ihm her zu gehen. Ich erinnere mich auch an die verkrampfte Haltung meines Vaters, als er die ersten Male als Beifahrer mit mir Auto fuhr. Vertrauen wird halt oft als Vorschuss gewährt und ist damit verbunden, dass ich Fähigkeiten im anderen sehe, manchmal auch wecken will. Ich glaube, dass es uns darum gut tut, Vertrauen zu üben. Es freut mich dann ja auch umgekehrt, wenn jemand Vertrauen in mich setzt und das will ich nicht enttäuschen.
Ich habe mit dem Vertrauen viel mehr gute, als schlechte Erfahrungen gemacht und darauf baue ich. Für mich hat diese Einstellung direkt mit meinem Glauben zu tun. Gott setzt ganz viel Vertrauen in uns und macht nicht nur gute Erfahrungen damit. Trotzdem spüre ich sein Vertrauen immer wieder neu und ich erlebe auch wie viel Mut und Phantasie und Liebe, das in uns wecken kann. Er vertraut uns seine Schöpfung an, viele unserer Fähigkeiten, unsere Zeit und Geld und vor allem andere Menschen. Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss, den möchte ich nicht enttäuschen, sondern damit arbeiten und leben. Also: Kontrolle wo sie nötig und sinnvoll ist. Aber als Lebenseinstellung wähle ich lieber das Vertrauen.
Pfarrerin Ulrike Mey
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel