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Gasthaus schließt

„Gehspitze“ wird Wohnhaus – Hotelier gibt auf – Verkauf an Investoren

Geht an einen Investor, der Wohnungen bauen will: der Gasthof Gehspitze. Besitzer Ralf Schröder bleibt auf einem Teilgrundstück von 3000 qm Fläche wohnen. Fotos: Hauff
Geht an einen Investor, der Wohnungen bauen will: der Gasthof Gehspitze. Besitzer Ralf Schröder bleibt auf einem Teilgrundstück von 3000 qm Fläche wohnen. Fotos: Hauff

Das Hotel und Restaurant „Gehspitze“ in Groß-Karben wird geschlossen. Inhaber Ralf Schröder führt es in der dritten Generation – und kündigt nun an, das ehemals erste Haus am Platze einem Investoren zu überlassen.

Ralf Schröder
Ralf Schröder

Karben. Anton ist heute alleine zu Haus. Der zwölf Jahre alte, blaue Wellensittich bleibt als einziger Gast im Untergeschoss übrig, nachdem Hotelier Ralf Schröder seinen Kontrollrundgang beendet hat. Wie es im ehemaligen Kino und Szenetreff einmal aussah, das wissen höchstens noch die älteren Karbener Einwohner. Sie werden sich endgültig von einem Erinnerungsort an ihre Jugend verabschieden müssen.

Seit vergangener Woche ist das Restaurant geschlossen, nun sind auch die Tage des Hotels gezählt. „Die Gespräche mit einem Investor sind weit fortgeschritten“, sagt der Inhaber. „Der neue Eigentümer wird aus der Gehspitze wohl keine Gaststätte mehr machen.“ Wohnungen sollen entstehen, wo mehr als drei Generationen hinweg für große Gesellschaften gekocht haben, wo gefeiert wurde, wo Reisende gegen Geld logierten.

Noch unauffälliger als sonst hat der Wirt in der Gehspitze kürzlich am Donnerstag seinen 58. Geburtstag gefeiert. Erstaunlich locker erzählt Ralf Schröder Hintergründe der Betriebsaufgabe. „Ich mache jetzt endlich, wozu ich Lust habe“, gesteht er, sichtlich aufatmend.

2006 habe er zum letzten Mal Urlaub gemacht, betont der Hotelinhaber. Zwei Jahre später ballten sich Probleme. Kurz nacheinander starben die Eltern: Nach Monaten langer, häuslicher Pflege seiner dementen Mutter verlor Ralf Schröder auch den Vater. Aushilfen überbrückten immer wieder Lücken. Jetzt sei er froh, den jahrelang auf seinen Schultern gelandeten Stress loszuhaben. Die Beherbergungsbranche hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Große Baufirmen bringen ihre Monteure in eigenen Containern unter, um zu sparen. Als sich Schröder vor zwei Jahren den Arm brach, mitten in der Hochsaison vor Weihnachten, bekam er zudem den geballten Zorn vieler Kunden zu spüren. Die Ansprüche der Gäste seien gestiegen, erzählt der Vater. Er hat zwei Kinder.

Geschirr ausrangiert

Beide wollen den Familienbetrieb nicht übernehmen. Für die Entscheidung habe er volles Verständnis. Seine Tochter arbeite in Frankfurt als Angestellte eines Vermittlers von Luxus-Immobilien, der Sohn hat eine sichere Karriere als IT-Fachmann. Schröder: „Auch mir haben meine Eltern damals freigestellt, ob ich das Haus übernehmen will oder nicht.“ Das Geschäft der Gehspitze zehrte zuletzt an Schröders Gesundheit: „Ich stehe morgens früh um halb sechs Uhr auf und bin abends um Mitternacht der Letzte“, schildert er.

Einst Kino & Eislokal

Auch den Stress in der Küche, wenn innerhalb von 30 Minuten zehn Essen fertig sein sollten, vermisse er nicht. Viele Geschirre und Kochbestecke aus dem riesigen Fundus der Gehspitze sind bereits verkauft.

Viele ältere Einwohner von Klein- und Groß-Karben erinnern sich an das markante Haus, das über Jahrzehnte hinweg den Ortseingang beider heutige Stadtteile prägte. Die Gehspitze war nicht nur für den Straßenverkehr Dreh- und Angelpunkt, sondern auch Eislokal und sogar das Kino, das die aktuellsten Streifen zeigte. „Da ist letztlich auch meine Ehe entstanden“, erzählt der Ex-Vorsitzende des Gewerbevereins, Dieter Fink. Familie Schröder sei überall im Ort beliebt gewesen, sagt er. „Ich weiß noch gut, wie Ralfs Oma Greta uns auf Wetterauer Mundart mit heller Fistelstimme hereingerufen hat, dass jetzt der Film beginnt.“ Das ist natürlich lange her.