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Auf der Seite der Jugend

Sie hat noch immer gut lachen: Auch wenn manches – wie die Dirtbikebahn – lange auf sich hat warten lassen, konnte Sylvia Becker-Pröbstel in ihrer zwölfjährigen Amtszeit als Bad Vilbeler Kinderbürgermeisterin doch so manches in die Wege leiten. Nun gibt sie ihr Amt ab. Foto: Thomas Kopp
Sie hat noch immer gut lachen: Auch wenn manches – wie die Dirtbikebahn – lange auf sich hat warten lassen, konnte Sylvia Becker-Pröbstel in ihrer zwölfjährigen Amtszeit als Bad Vilbeler Kinderbürgermeisterin doch so manches in die Wege leiten. Nun gibt sie ihr Amt ab. Foto: Thomas Kopp

Kinder und Jugendliche brauchen Gehör in ihrer Heimat. Die Kommunen reagieren darauf unterschiedlich. Während es in anderen Städten Jugendbeiräte und -parlamente gibt, hat Bad Vilbel eine Kinderbürgermeisterin. Die gibt ihr Amt jetzt ab. Doch ihre tüchtige Pionierarbeit soll einen Erben finden.

Bad Vilbel. Die Geschichte von Sylvia Becker-Pröbstel als Kinderbürgermeisterin beginnt im Jahre 2002. Schon damals war die heute 55-Jährige stark in ihrer Heimatstadt Bad Vilbel engagiert, Erste Vorsitzende des Schulelternbeirates der Ernst-Reuter-Schule und des Georg-Büchner-Gymnasiums. Und sie machte sich stark für eine weitergehende Kinderbetreuung auf dem Heilsberg.

Ihr Kampfgeist fiel dem damaligen Bürgermeister Günther Biwer (CDU, †) auf. Kurzerhand sprach er sie an und machte sie zur ersten Kinderbürgermeisterin.

Und sie baute Beispielloses auf: „Ich begann mit zehn Kindern, habe an Kindertagesstätten und Schulen nach Meinungen, Wünschen und Bedürfnissen gefragt.“ Schnell kam die Idee auf, einmal im Jahr ein Jugendforum zu veranstalten, das die Vorschläge konkretisiert und sie so in die Kanäle der Erwachsenen-Politik spült.

Neutrale Anlaufstelle

Für Becker-Pröbstel eine spannende Aufgabe. „Es ist spannend, wie sich Bedürfnisse verändern, aber auch wie flexibel Kinder mit den Themen umgehen. Es ist keinesfalls so, dass sie auf ihrem Ziel bedingungslos verharren“, sagt sie. Sie bemerke das viel mehr bei den Erwachsenen, während die Kinder und Jugendlichen schnell mit Alternativ-Vorschlägen bei der Hand seien.

Becker-Pröbstel ließ sich gerne vor den Karren spannen, hat sich als Vermittlerin zwischen der Stadt, Eltern und ihrer Schützlinge große Anerkennung und hohen Respekt erworben. Sogar so sehr, dass Eltern und Jugendliche sie auch bei persönlichen Problemen ansprachen, etwa bei Drogen- und Gewaltproblemen. „Die Betroffenen wollten nicht zu einer Behörde, sondern eine neutrale Anlaufstelle“, sagt die frühere Leistungssportlerin beim Hessischen Turnverband und Ernährungsberaterin mit eigener Praxis.

Sylvia Becker-Pröbstel hat viel bewegt und erreicht. Angefangen hat sie mit den Kinderholzfiguren, die auf Schulkinder im Straßenverkehr hinweisen. Ganz aktuell ist eines ihrer größten Projekte zu Ende gegangen. „Die Entwicklung der Dirtbikebahn war langwierig und kommt leider nicht mehr den Jugendlichen von damals zugute. Dafür aber können sich die nächsten Generationen an ihr erfreuen.“ Am 5. Juli wird es die Eröffnung geben.

Bei der Realisierung dieses Projektes habe ihr der jetzige Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) entscheidend geholfen. „Als die Kinder im Wald nicht mehr fahren konnten, hatte er ein offenes Ohr“, lobt sie Stöhr. Langwierig waren dann eher die parlamentarischen Debatten, „das war für uns alle schon auch frustrierend“, schildert sie.

Unbefangen & kreativ

Die Kinder konnten sich immer auf ihre Bürgermeisterin verlassen, sie bestärkte sie auch darin, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. „Kinder sind für eine Stadt wichtig. Jeder sagt das, doch will keiner etwa die Dirtbikebahn oder ein Jugendhaus vor der eigenen Tür haben. Das kann ich nicht nachvollziehen“, ärgert sie sich. Auch die politischen Debatten hätten manche Jugendlichen als Ablehnung verstanden. „Hier sollte jeder noch einmal in sich gehen und darüber nachdenken, ob man Kinder willkommen heißen oder sie ablehnen will.“ Noch heute trifft sie ab und an Kinder der ersten Generation, sieht, was aus ihnen geworden ist. Und freut sich, wenn sie ihren Weg gemacht haben. Doch wünscht sie sich, dass auch die kommenden Generationen eine Person finden, die sich für sie stark macht. „Man darf Jugendlichen mehr zutrauen, als man es oft tut. Sie sind eine Bereicherung, unbefangen, kreativ und haben viele neue Ideen.“ Als Nachfolgerin kann sie sich jemand jüngeren, vielleicht unter 30, vorstellen, mit Zeit, Flexibilität und einer diplomatischen Ader. Bei Bedarf würde sie, so lange das gewünscht wird, gerne beratend helfen.