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Brasilianisch

Bad Vilbel. Lautstark werden neue Bezüge auf die Bänke getackert. Auch die Farbtöpfe stehen schon im Vereinslokal der Massenheimer Turner in der Homburger Straße bereit. Statt hellem Braun soll es künftig in Grün und Gelb mit blauen Tupfern leuchten.

Kein Zufall, das sind die brasilianischen Nationalfarben, die auf die Herkunft der neuen Wirtin Josi Drux verweisen. Sie und ihre Partnerin Astrid Gritzal haben das Lokal eigentlich schon im Juli übernommen, richteten sich aber erst jetzt auf die Neueröffnung am vergangenen Samstag ein.

Warum so spät? „Weil uns das Gerede zu viel war, die Gerüchteküche hat gebrodelt“, sagt Gritzal. In den vergangenen Jahren hatte das Lokal mehrere Besitzerwechsel zu verzeichnen. Einer der früheren Pächter hatte sogar den Vereinsvorstand einzuschüchtern versucht. Zuletzt, so Gritzal, sei es im vergangenen Herbst zum Zerwürfnis zwischen dem Besitzer und den Wirtsleuten gekommen.

Zu dieser Zeit hatten die Vorgänger bereits Kontakte zu ihren Nachfolgern geknüpft. Josi Drux kommt eigentlich aus der Wertpapierbranche, hat aber schon den Vorbesitzer unterstützt, mit ihren Kontakten zur brasilianischen Szene Samba-Shows nach Massenheim geholt. Gritzal arbeitete vorher zehn Jahre lang in einem brasilianischen Restaurant in Düsseldorf, hat „früher die Winter in Brasilien verbracht. Die Hälfte meines Herzens schlägt eben im Samba-Rhythmus“.

Nun soll der traditionelle Schriftzug „Jahn-Stuben“ von der Wand verschwinden, einem Logo mit einer deutsch-brasilianischen Fahnencollage weichen, angestrahlt in gelbem Licht. „Der Name Jahn-Stuben ist so was von verbrannt“, findet Gritzal, habe zuletzt einen schlechten Ruf gehabt. „Da kann man doch nicht essen“, hätten viele Menschen gesagt. „Diese alten Zöpfe schneiden wir ab“, meint Gritzal resolut. Sie hat den Bereich Küche übernommen, Drux das Geschäftliche. Auch dort gebe es einen Neubeginn. Die Vorgänger hätten aus dem Vereinslokal mit viel Aufwand ein schickes Restaurant machen wollen, „das erschreckt die Leute“.

Und wenn für vier, fünf Personen eingedeckt werde, fühlten sich einzelne Besucher nicht wohl. Auch seien die Leute ernährungsbewusster geworden. Es gebe Konkurrenzdruck. Da könne man nicht „wie in einer Bahnhofskneipe“ auf alte Rezepte setzen, findet Gritzal.

Vor allem sei ihr wichtig, alles frisch zuzubereiten. Die Kartoffeln kommen vom Massenheimer Landwirt Laupus, das Fleisch von der Vilbeler Metzgerei Dürr und das Bier von einem kleinen Fechenheimer Brauhaus. „Wir wollen uns nicht von den großen Brauereien abhängig machen“, sagt Gritzal. Selbst die Currysoße für die Wurst und das Paniermehl fürs Schnitzel stelle sie selbst her. Renner auf der bi-nationalen Speisekarte sei das Picanha com Feijão e Aipim Frito (Steak vom Tafelspitz), gefolgt von Jägerschnitzel. Für die brasilianischen Spezialitäten kämen Gäste aus Frankfurt, Offenbach oder Kronberg. Die Massenheimer sind „noch zurückhaltend“, weiß Drux. Doch hat sie schon freundschaftliche Kontakte zu ihren Kollegen vom Ahrenshof und dem „Knoche“ geknüpft. Die sähen ihr Lokal nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung für alle, weil die Leute bei einem größeren Angebot im Ort nicht gleich nach Frankfurt fahren müssten. Doch die Wirtin ist realistisch, rechnet mit einem Jahr Durststrecke, bis das Lokal einigermaßen läuft. Sie will auch den Verein bedienen, die Kegelbahn, die Kerb sowie Familienfeiern ausrichten. Samstags soll es bei freiem Eintritt brasilianische Live-Musik geben.