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Der „goldene Schnitt“ – Winterpflege an Obstgehölzen – Das Ziel: Breite, belüftete und beerntbare Krone

Grauer Himmel, gleichmäßig fallender Regen, vor Nässe triefendes Gras. Kein einladendes Wetter für einen Aufenthalt im Freien. Trotz des nasskalten Wetters kamen 30 Hausgarten- und Streuobstwiesenbesitzer zum Lehrgarten des Obstbauvereins Bad Vilbel.

Bad Vilbel. Dort wurden die Besucher von Dr. Hans-Hermann Freese, Vorsitzender des Obstbauvereins Bad Vilbel, und Matthias Schäfer, Obstbaumfachwart und Vorsitzender des Obst- und Gartenbauverbandes Wetterau, begrüßt.

Nachdem sich alle mit heißem Apfelwein aus den Früchten von den Bäumen der umliegenden Streuobstwiesen aufgewärmt hatten, gehörte die ungeteilte Aufmerksamkeit aller für die nächsten drei Stunden Obstbaumfachwart Matthias Schäfer. Dieser führte seine Zuhörer theoretisch und praktisch in den Winterschnitt an Obstgehölzen ein.

Für den Winterschnitt sind vor allem die ersten drei Monate im Jahr geeignet. Wer quantitativ und qualitativ gute Erträge erzielen will, der muss Wert auf Schnitt, Bodenbearbeitung, Düngung und Pflanzenschutz legen. Mitgebracht hat der Obstbaumfachwart für den Schnitt neben einer Leiter je eine Baumschere, eine auf drei Meter ausziehbare Teleskopsäge und eine Bügelsäge.

Wie ein perfekter Schnitt an unterschiedlichen Obstgehölzen aussieht, dafür bietet der vereinseigene Lehrgarten der Mitglieder im Gronauer Feld ausreichend Anschauungsmaterial. Hier haben die Vereinsmitglieder 50 Pillarbäume (schlanke Spindeln), sechs Apfel-, fünf Zwetschgen- und je zwei Birnbaum- und Mirabellen-Halbstämme angepflanzt. Ergänzt wird dieser Bestand durch zwei alte Apfelbaum- und je einen Süß- und Sauerkirschbaum-Hochstamm.

Wer hochstämmige Obstbäume anpflanzt, die bei guter Pflege ein Ertrags- und Lebensalter von fünfzig bis einhundert Jahren erreichen, investiert in die Zukunft. In den ersten Jahren steht nicht der Fruchtertrag, sondern ein zügiger Aufbau des Kronengerüsts im Vordergrund. Je nach Obstart und -sorte kann die Krone einen Durchmesser von sieben bis zwölf Metern erreichen.

Nur nicht schnippeln!

Die Ertragsphase bei Hochstämmen beginnt ab dem siebten bis zwölften Jahr und erreicht ihren Höhepunkt vom 30. bis 50. Jahr. Ein Halbstamm trägt erstmals nach sechs bis acht Jahren. Spindelbäume tragen nach zwei Jahren einzelne Früchte. Die Vereinsmitglieder schneiden ihre Pillarbäume alle fünf Jahre bis auf den Stamm zurück. Alle Bäume bringen Jahr für Jahr eine reiche Ernte, vorausgesetzt, sie werden gepflegt, erhalten in den ersten Jahren einen Erziehungsschnitt, später eine regelmäßige Durchlüftung der Krone und Verjüngungsschnitte. Der Rat von Fachmann Matthias Schäfer lautet: „Grundsätzlich gilt, nicht schnippeln, sondern schneiden.“ Also lieber eine ganze Astpartie herausnehmen, als mehrere Zweige zu stutzen. Je mehr Schnittstellen entstehen, desto mehr Wunden hat der Baum. Die Äste müssen so geschnitten werden, dass keine Aststümpfe stehen bleiben. Sonst drohen Pilzkrankheiten, Mehltaubefall, Schorf und Rost.

„Das Schneiden wirkt sich immer auf das Wachstum des Holzes aus.“ Einige Teilnehmer zückten ihre Handys, um alles auf Fotos festzuhalten. Sie dokumentierten den Baum vor und nach dem Schnitt und alle Zwischenschritte.

Neben den bisher genannten Bäumen zeigte Obstbaumfachwart Schäfer auch, wie ein Birnbaum richtig beschnitten wird. Nachdem Matthias Schäfer auch dem Birnbaum einen passenden Schnitt für die kommende Saison verpasst hatte, fachsimpelte die Gruppe mit dem Experten und erfahrenen Obstbauern. Dr. Hans-Hermann Freese betonte: „Die Pflege von Obstbäumen ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung unserer Kulturlandschaft. Der Wetteraukreis gehört mit seinen rund 230 000 Obstbäumen auf einer Fläche von rund 3000 Hektar zu den streuobstreichsten Landkreisen Hessens.“

Für den Erhalt und die Pflege der wertvollen Kulturlandschaft setzen sich die derzeit 160 Vereinsmitglieder ein, zu denen acht Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 18 Jahren gehören. Die Jugendgruppe will im Frühjahr ein Insektenhotel bauen. Die späteren Bewohner sollen die Artenvielfalt auf dem Vereinsgrundstück und den umliegenden Streuobstwiesen erhöhen. „Unser Ziel ist es, mit wenig chemischen Pflanzenschutzmitteln auszukommen“, sagt Dr. Freese. Er ist seit 30 Jahren Vorsitzender. Mit Bürgerinformationen und Obstbaumschnittlehrgängen wenden sich die Vereinsmitglieder regelmäßig an interessierte Bürger. Der Einsatz bei Regen, Wind und Kälte hat sich gelohnt. Von den acht Gästen entschließen sich an diesem Vormittag zwei spontan, in den Obstbauverein Bad Vilbel einzutreten.

Am Donnerstag, 21. März, findet ab 19 Uhr im großen Kurhauscafé die Jahreshauptversammlung des Obstbauvereins Bad Vilbel mit Ehrungen verdienter Mitglieder statt.