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Die Kirche und das nackte „Geheimnis“

Von einer „alten Vilbelerin“, die in Frankfurt lebt, aber „noch immer Anteil an den Geschehnissen in meiner Heimatstadt“ nimmt, erhielten wir folgende Zuschrift zu unserem Exklusiv-Bericht „Das Geheimnis“ im BVA vom 14. Juni:

„Hier im Innern des Landes, da leben sie noch…“, und wir sind ihnen vor ein paar Tagen begegnet. Um uns das umstrittene Kunstwerk im Vilbeler Burgpark selbst einmal anzusehen, von dem im „Bad Vilbeler Anzeiger“ bereits vor einer Woche die Rede war, gingen wir zwischen den großen Holzfiguren umher, um einen Blick in ihr „Geheimnis“ zu werfen. Wir fanden es zwar nicht besonders schwierig, mithilfe der einfach angedeuteten sekundären Geschlechtsmerkmale die eine als Mann und die andere als Frau zu identifizieren, hatten jedoch in keiner Weise den Eindruck, ein obszönes Machwerk vor uns zu haben. Da erschienen auf der Bildfläche ein leicht beleibter älterer Herr und in untertänigem Abstand hinter ihm seine Gattin. Ich sagte gerade zu meinem Mann: „Ist die Aufregung nicht einfach lächerlich?“ Da fuhr ein heiliges Donnerwetter auf mich nieder, denn der Herr fragte, ob es denn nicht eine ungeheuerliche „Entweihung des Sakralbaus“ sei, „so etwas hier hinzustellen“.

Ach richtig, die katholische Kirche befindet sich ja in enger Nachbarschaft des Burgparks. Etwas verdattert fragte ich zurück, was er mit so etwas und mit „Entweihung“ meine. Da bekam er sofort ein bisschen Schaum vor den Mund und wiederholte sinngemäß, was er gesagt hatte, nur verstärkt durch Begriffe wie „Schweinerei“, „schamlos“ und „unglaublich“.

Ich fragte, ob denn in der Bibel nicht geschrieben stehe, dass Gott die Menschen in die Welt geschickt hat mit der Aufforderung: „Seid fruchtbar und mehret euch…“ und wo denn seiner Meinung nach die kleinen Kinder herkämen. (Es kann auch sein, dass ich anders gefragt habe: „Mit was werden die denn wohl gemacht?“)

Da bekam er noch mehr Schaum vor den Mund und rief ganz laut, er wisse Bescheid, er habe sogar drei Urenkel, „Und Sie? Wie viele Urenkel haben Sie?“ Ich sagte, das tue jetzt aber nichts zur Sache, und ich sähe immer noch nicht die Entweihung der Kirche durch das Kunstwerk, weil es mir nicht schamlos vorkomme.

Unser Hinweis auf den kleinen nackten Amor auf dem Delphin, ebenfalls in der Nähe des Sakralbaus, machte ihn jetzt aber vollends wütend, und nun verstieg er sich sogar zu der Drohung, wenn er eine Axt hätte (glücklicherweise hatte er wohl keine…) dann würde er diese Figuren zerhacken, jawohl, zerhacken.

Die Gattin hatte sich sachte und mit einigen kleinen Schritten aus der Gesprächsgruppe entfernt und beobachtete vorsichtig das Geschehen. Wir gaben angesichts dieser üblen Drohung lieber auf und machten uns davon.

Zum Abschied sagte mein Mann: „Sicher sind Sie auch schon immer für die Bücherverbrennung gewesen…“, aber darauf erfolgte keine Antwort mehr. Hat er’s vielleicht verstanden oder hat er’s etwa nicht verstanden? „Wie oft hat man sie schon totgesagt, doch hier im Innern des Landes….“

Ingemarie Hennig,

Frankfurt am Main

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