Bad Vilbel. Auf den ersten Blick sieht es sehr dramatisch aus: stattliche Bäume, deren helle Stämme sich in einem schutzlosen Gelbbraun zeigen, während die abgefallene Borke ringsum verstreut ist. Ist da Vandalismus im Spiel oder eine Baumseuche?
Im Gegenteil, sagt Ronald Agel, der Leiter des Gartenamtes: „Die Platanen sind sehr vital.“ Wie das? Das Abblättern der Borke sei bei dieser Baumart ein jährlich wiederkehrender Wachstumszyklus. Bei dem Dickenwachstum des Stammes halte die Rinde nicht mit und blättere ab. Dieser Prozess sei wegen der Witterung in diesem Jahr wie im Zeitraffer abgelaufen, erläutert Agel, denn „jeder Baum mag Wärme und Feuchtigkeit“. Dass die Rinde abblättere, sei deshalb ein Zeichen dafür, dass der Baum nicht krank, sondern gesund und sehr aktiv sei.
Ihre stärkste Wachstumsphase haben die Platanen im Juli und August. Dann geht es mit dem Dicken- und Längenwachstum los. Außerdem pumpen die Platanen viel Kraft in ihre Blätter, um über diese möglichst viel Feuchtigkeit aufnehmen zu können. Agel: „Die Stoffe, die der Baum nicht braucht, stößt er über die Rinde wieder ab – wie eine Schlange, die sich häutet.“
Die Platane leidet in ihrem hellen Kleid nicht, weiß Agel. Die jetzt sichtbare, zunächst gelbgrüne Rinde verwandelt sich in eine charakteristisch gefärbte bräunlich-grüne Borke, die in großen, unregelmäßig geformten Stücken abblättert. Dabei bleiben puzzleartige Stücke der alten Borke übrig und geben der neuen Rinde ein Relief-Muster. Das wird von Algenbewuchs ergänzt, der dort auftritt, wo der Baum Sonne und Licht ausgesetzt ist.
Platanen sind sehr robust, so Agel, und daher ideale Straßenbäume. Sie sind widerstandsfähig gegenüber Kohlenstaub, schwefliger Säure, Schwefeldioxid, trockener Luft und mechanischer Beschädigung. Auch Bodenverdichtungen machen ihnen nicht sonderlich viel aus. In Bad Vilbel sind sie an vielen Stellen zu finden: im Kurpark nahe des Kneipp-Tretbeckens, am Friedhof in der Lohstraße und in der Theodor-Heuss-Straße. Die Platanen im Kurpark sind über 25 Meter hoch und 40 bis 50 Jahre alt, schätzt Agel.
Der Leiter des Gartenamtes weiß von weiterem Nutzen: In der Platanenborke sei der Wirkstoff Betulinsäure enthalten, der die Vermehrung des Aids-Virus verhindern und Melanomzellen abtöten könne. Während für ein Kilogramm des Wirkstoffs Taxol 2000 Eiben gefällt werden müssten, gebe die Platane ihre Borke von selbst ab: in jedem Jahr einige Kilogramm. Auch den anderen Bäumen in der Stadt gehe es gut, berichtet Agel. Lediglich die Felsenmispel in der Kasseler Straße sei von der Gespinstmotte befallen. Auch bedeuteten die braungefärbten Blätterstellen der Kastanienbäume im Kurpark, dass dort die Miniermotte wieder zuschlage.