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Ein furioser Start

Der fliegende Holländer und Senta. Fotos: Eugen Sommer
Der fliegende Holländer und Senta. Fotos: Eugen Sommer

Mit der Premiere von „Der fliegende Holländer“ wurden gestern die 29. Burgfestspiele in Bad Vilbel eröffnet. Die Handlung: Die Titelfigur (Yongmin Hong) ist verflucht, so lange mit seinem Geisterschiff über die Meere zu segeln, bis ihn die absolute Liebe eines Mädchens erlöst. Immerhin: Alle sieben Jahre darf er an Land, um sein Glück zu finden. Erst als ihm der eigennützige Seemann Daland (Johannes Schwarz) begegnet, wendet sich das Blatt.

Das Ensemble des „Fliegenden Holländers“ macht den Auftakt der diesjährigen Bad Vilbeler Burgfestspiele. Eine gute Wahl, wie sich im Schlussapplaus zeigt. Foto: Sommer
Das Ensemble des „Fliegenden Holländers“ macht den Auftakt der diesjährigen Bad Vilbeler Burgfestspiele. Eine gute Wahl, wie sich im Schlussapplaus zeigt. Foto: Sommer

Bad Vilbel. Der Holländer verspricht Daland großzügig eine Schiffsladung voller Schätze, sobald dessen Tochter Senta (Paula Bohnet) bereit ist, ihn zu heiraten. Besessen wie eine Mondsüchtige träumt das Töchterlein schon lange von der mythischen Figur des geheimnisumwitterten Seefahrers und ist bereit, ihn von seinem Fluch zu erlösen.

Mit blutrotem Segel und vollkommen in schwarz gekleidet, erscheint dieser so plötzlich, dass der Liebenden ein greller Schrei entfährt. Sie erkennt den Angebeteten aus ihren Träumen. Die Symbolkraft der Farben zeigt einerseits die Leidenschaft (blutrot) andererseits die tiefe Trauer (schwarz) und nicht erfüllte Sehnsucht.

Gebannt folgt das Publikum den bewegten, intensiv dramatischen, teilweise auch humorvollen Szenen. Schon der Auftrittsmonolog erzählt von der Verdammnis ewigen Unterwegsseins. Trotz widriger Winde will die mysteriöse Figur, deren Name nicht genannt werden darf, das stürmische Kap umsegeln – notfalls bis in alle Ewigkeit.

Brillant gespielte Musik

Der Steuermann (Yichao Wang) schafft mit seiner humorvollen, etwas tollpatschig naiven Art und seinem Stoffhund „Störtebeker“ in der Jackentasche immer wieder einen heiteren Ausgleich zur teilweise recht dramatischen Darstellung und der brillant gespielten Musik. Mit dem mysteriösen Auftritt des Holländers findet der Einbruch des Übersinnlichen in die Realität statt. Vollkommen in schwarz gekleidet, mit knöchellangem Mantel, kniehohen Stiefeln und Hut, trägt er seine Augenklappe in Musketiermanier und hat stolz seine hüftlangen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.

Einzig das glutrote Innenfutter seiner Kleidung zeigt seine emotionale Realität. Er ist mit seiner zurückhaltenden fast starren, ja erstarrten Haltung das Pendant zur emotionalen Senta. Erst in der Liebe zu ihr ist Sinnlichkeit und Emotionalität in ihm zu erahnen.

Paula Bohnet überzeugt

Regie führt Benedikt Borrmann, musikalischer Leiter ist Markus Höller. Die Inszenierung findet in Kooperation mit der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst statt. Die Musiker Hongxia Cui (Violine), Vassily Dück (Akkordeon), Carlo Eisenmann (Posaune), Markus Höller (Klavier), Semadar Schidlowsky (Violine) spielen auf der Bühne teilweise interaktiv sowohl mit dem Publikum wie mit den Sängern.

Richard Wagners romantische Oper, die 1843 in Dresden uraufgeführt wurde, hat in der Inszenierung von Benedikt Borrmann viel Dramatik, besonders glänzt Paula Bohnet in der Rolle der Senta durch ihre sichere Intonation der Arien und ausdruckstarken, hitzig wie energetisch, vorgetragenen Gefühlsregungen: Sehnsucht, Leidenschaftlichkeit, Empörung, Trauer, Wut und Schmerz.

Die Inszenierung ist für Familien mit Kindern ab fünf Jahren konzipiert. In der Premiere am Sonntag saßen allerdings 90 Prozent Erwachsene im ausverkauften Haus. Für Erwachsene ist die Oper aber mindestens genauso empfehlens-wert. Luca Sebastian (10) aus Bad Vilbel findet die Arien „manchmal schwer zu verstehen, aber der Fluch auf dem Schiff ist cool“.

Die Vilbeler Inszenierung spiegelt durch spritzig leichte Art im Wechsel mit tief dramatischen Elementen die Spaltung zwischen Realität und Metaphysischem. Sie rüttelt auf, erschüttert. Das garantiert Spannung von Anfang bis zum Ende. Eine unvergesslich aufwühlende Darstellung ist hier gelungen. Anhaltender Applaus, kollektive Begeisterungsrufe und Sonnenschein, was können die Beteiligten sich zur ersten Premiere in diesem Jahr mehr wünschen?

Insgesamt wird die Inszenierung bis Saisonende noch elf Mal in der Burg gezeigt. Bis zu den nächsten Vorstellungen am 13. und 14. Juli dauert es jedoch noch etwas.

Eintrittskarten kosten zwischen 5,50 und 14 Euro; im Vorverkauf sind sie erhältlich im Festspielbüro, Klaus Havenstein-Weg 1, Telefon (06101) 559455, E-Mail tickets@ bad-vilbel.de, und bei Hildebrand, Marktplatz 2.