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Eine außergewöhnliche Frau

Freude über den »Elisabeth-Apfel-Platz« vor dem Heimatmuseum Massenheim (von links): Ortsvorsteherin Irene Utter, Wilhelm Apfel, Ilse Kunna, Robert Brückmann und Bürgermeister Sebastian Wysocki. Foto: Georgia Lori
Freude über den »Elisabeth-Apfel-Platz« vor dem Heimatmuseum Massenheim (von links): Ortsvorsteherin Irene Utter, Wilhelm Apfel, Ilse Kunna, Robert Brückmann und Bürgermeister Sebastian Wysocki. Foto: Georgia Lori

Bad Vilbel. Die Aufschrift »Apfel« an einem Haus unweit der Kirche in Massenheim fällt sofort auf. Es ist das ehemalige Wohnhaus der Hebamme Elisabeth Apfel. Sie wurde 1895 geboren und lebte nur einige Meter von dem Platz entfernt, der seit Sonntag ihren Namen trägt. Apfel verstarb im Februar 1973 im Alter von 77 Jahren.
An der Feier zur offiziellen Namensgebung nahmen Mitglieder des Magistrats teil, der Ortsbeirat Massenheim, Fraktionsvorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, die Nachfahren der Hebamme, Wilhelm Apfel, Ilse Kunna und Robert Brückmann sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger.
Auch nachts mit dem Motorrad unterwegs
Bürgermeister Sebastian Wysocki betonte, dass die Stadtverordnetenversammlung im Sommer vergangenen Jahres auf Initiative des Ortsbeirats Massenheim beschlossen habe, den Platz so zu benennen. »Dass die Hebamme nachts zu ihren Einsätzen mit dem Motorrad, einer NSU-Quickly, brauste, beschreibt sehr gut, mit wie viel Leidenschaft Elisabeth Apfel ihrem Beruf nachging. Für sie war es nicht nur ein Beruf sondern auch Berufung und Lebensinhalt«, sagte Wysocki. Ortsvorsteherin Irene Utter freute sich über die Umsetzung, die vom Ortsbeirat einstimmig beschlossen worden war. Sie sprach von einer »außergewöhnlichen Massenheimerin«. Die Ehrung sei zugleich Wertschätzung für den Berufsstand, der nicht immer die Beachtung erhalte, die er verdiene. »Von ihrem Vater aus durfte Elisabeth damals keinen Beruf erlernen. Sie heiratete meinen Opa, der es ihr sofort erlaubte«, sagte Ilse Kunna.
»Elisabeth Apfel machte ihre Ausbildung in Mainz an der Lehranstalt für Hebammen, die sie mit Auszeichnung abschloss. Während ihrer 30-jährigen Tätigkeit half sie 2100 Babys auf die Welt«, sagte Utter.
Vorsitzende der
hessischen Hebammen

Von 1938 bis 48 arbeitete sie zudem im Krankenhaus in Bad Vilbel. Apfel habe sich weit über die Grenzen Massenheims hinaus engagiert. 1945 wurde sie Landesvorsitzende der hessischen Hebammen für die Regierungsbezirke Darmstadt, Wiesbaden und Kassel und war zweite Bundesvorsitzende. Sie betreute 1200 Hebammen. Jeweils im Frühjahr und Herbst hielt sie Vorträge in allen hessischen Landkreisen.
Ihr Ehemann Ludwig fuhr seine Frau mit dem VW-Käfer zu Versammlungen und Kongressen. Sie nahm an vier Weltkongressen der Hebammen in London, Berlin, Stockholm und Rom teil. »1961 erhielt sie als eine der ersten Frauen in Deutschland das Bundesverdienstkreuz in Anerkennung der um Staat und Volk erworbenen besonderen Verdienste durch den damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke«, sagte Utter. Lübke sei, weil er extreme Flugangst hatte, nur mit ihrem Schwiegervater Werner Utter, ehemaliger Flugkapitän und Vorstandsmitglied der Deutschen Lufthansa AG, geflogen.
In den Kontext der Feier passte auch die von der hessischen Landeszentrale für politische Bildung initiierte Ausstellung »Hebammen in Hessen«. Der Ortsbeirat hatte die Idee, zur Einweihung vom »Elisabeth-Apfel-Platz« einen Teil der Ausstellung im Heimatmuseum zu zeigen und die restliche Ausstellung im Rathaus in Dortelweil.
Im Heimatmuseum ist auch der Hebammenkoffer von Apfel ausgestellt. Das Schild wurde von den Enkeln enthüllt. Zur Einweihung des Platzes überreichten sie dem Heimatmuseum Massenheim zudem das Bundesverdienstkreuz der Hebamme mit zugehöriger Urkunde als Dauerleihgabe.
Mit Zivil-Courage gegen Nazi-Bürgermeister
»Elisabeth Apfel hat sich auch für den Kampf um die Demokratie eingesetzt. In der Nazi-Zeit hat sie sich durch außerordentliche Zivilcourage hervorgetan«, sagte Ortsbeiratsmitglied Marianne Reichel. Enkel Wilhelm Apfel erinnerte sich, dass die Amerikaner schon den Main in Frankfurt überschritten hatten. Der damalige Nazi-Bürgermeister in Massenheim habe gemeint, er müsse die alten Herren mit Dreschflegel antreten lassen, um den Krieg zu gewinnen. Seine Oma habe sich vor ihm aufgebaut und ihm zu verstehen gegeben, dass er sich unterstehen solle, »die alten Kerle zu verheizen«. Die Amerikaner seien bald da und da sei er froh, wenn einer für ihn spreche. Die Männer hätten schließlich nach Hause gehen dürfen.
Von Georgia Lori