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»Es wird viel zu reden sein« – Wie mit der Diagnose Krebs umgehen? – Neue Selbsthilfegruppe bei der Bürgeraktive

Bad Vilbel. Wie sieht mein Alltag mit Krebs aus? Möchte ich eine Perücke tragen? Und warum zum Teufel ausgerechnet ich? Das sind Fragen, die viele Krebskranke umtreiben – die sie mit gesunden Angehörigen jedoch nicht immer besprechen können. Deshalb wurde unter dem Dach der Bürgeraktive ein neues Selbsthilfeangebot gestartet.

»Ich bin doch mittendrin im Geschehen.« So bringt es Heidi Bahrenberg mit einem Lächeln auf den Punkt. Die 71-Jährige hat Lungenkrebs, auf ihrem Kopf legen sich nach der Chemotherapie erste Löckchen zu einer schicken Frisur, regelmäßig muss sie den Verlauf ihrer Krankheit kontrollieren lassen. Sie kennt den Schock der – bei ihr im Mai gestellten – Diagnose, die Medikamente, die immer wiederkehrenden Gedanken an den Krebs. Keine Frage: Heidi Bahrenberg ist »mittendrin« im Geschehen.

Kontrolltermine
Deswegen hat die Dortelweilerin ein neues Forum ins Leben rufen, in dem sich Krebspatienten untereinander austauschen können. Das Besondere: Die neue Selbsthilfegruppe ist außergewöhnlich weit gefasst. Sie richtet sich an Betroffene aller Krebsarten, aller Altersstufen, an Männer wie an Frauen. Im bestehenden Angebot bildet sie damit einen neuen Baustein. Rund 50 Gruppen gebe es in Bad Vilbel bereits, erklärt Eva Raboldt, Leiterin der Selbsthilfekontaktstelle Bürgeraktive Bad Vilbel. Aber: Gerade im Bereich der Krebserkrankungen sind diese bis jetzt sehr spezifisch.
Dabei betreffen viele Probleme alle Krebskranken gleichermaßen. Das sind vermeintliche Kleinigkeiten wie die veränderte Haarstruktur nach der Chemotherapie – Bahrenberg hatte vorher glatte Haare –, aber auch große, den neuen Alltag dominierende Themen wie die Angst vor dem nächsten Kontrolltermin.

Die Kommunikation mit Freunden und der Familie helfe dabei zwar, sagt Bahrenberg – aber Gesunden reiche das Thema oft irgendwann, weiß sie aus eigener Erfahrung. »In der Selbsthilfegruppe ist das anders: Da darf ich auch zum 135. Mal noch sagen, dass es einfach beknackt ist, dass die Krankheit ausgerechnet mich erwischt hat«, sagt sie. Trotz oder gerade wegen dieser Deutlichkeit lächelnd.
Denn auch das weiß Bahrenberg: Sie ist noch immer die gleiche Frau wie vor der Diagnose. »Ich fühle mich nicht krank. Im Gegenteil: Ich fühle mich sehr wohl und belastungsfähig.« Im Alltag habe sie immer wieder gegen das »Bild der typischen Krebskranken« anzutreten. Auch das ist ein Gefühl, das wohl viele Betroffene kennen.
Dass der Austausch hilft, weiß sie aus eigener Erfahrung: Das erste Mal mit dem Thema Selbsthilfe in Berührung gekommen ist sie, als bei ihrem Sohn ADHS diagnostiziert wurde. Für einen guten und regelmäßigen Austausch mit anderen betroffenen Eltern habe sie damals eine Selbsthilfegruppe gegründet, erzählt sie. Auch beruflich hat die Pädagogin für den Pflegebereich lange Gruppen geleitet.

Ihren theoretischen Hintergrund will sie in Kombination mit der eigenen Betroffenheit nun einbringen. Aber: Alles andere liegt in der Hand der Gruppe. »Ich habe zwar schon einige Ideen«, sagt Bahrenberg. Beispielsweise seien Ernährung oder – ihr persönliches Steckenpferd – die Bewegung Themen, die in der Gruppe gut aufgehoben sein könnten. »Nebenwirkungen von Nebenwirkungen« sei ein anderer Themenkomplex, ebenso alternative Therapieformen oder beispielsweise drohende Berufsunfähigkeit und damit verbundene Ängste. Aber: »Am Anfang wird es viel Reden sein«, sagt Bahrenberg. »Ich habe kein festes Curriculum.«

Die Selbsthilfekontaktstelle hilft ihr bei der Organisation, Raumplanung, außerdem stehen allen Selbsthilfegruppen-Leitern regelmäßig Fortbildungen zur Verfügung. »Darüber hinaus ist uns aber wichtig, dass aus den Ichs, die sich in die Gruppe einbringen, ein Wir wird«, betont Raboldt. »Eine Gruppe kann nie nur aus der Leitung bestehen. Erst das gemeinsame Gespräch füllt sie mit Leben.«

Weitere Auskünfte zu Selbsthilfegruppen: Telefon (06101) 1384, E-Mail info@buergeraktive-bad-vilbel.de