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Fabelhafter Start

Endstation Serail – Konstanze, Pedrillo und die Blonde werden von Bassa Selim (rechts) gefangen gehalten. Es spielen, von links nach rechts, Maren Schwier, Aljoscha Lennert, Florentine Schumacher und Timon Führ. Foto: Deul
Endstation Serail – Konstanze, Pedrillo und die Blonde werden von Bassa Selim (rechts) gefangen gehalten. Es spielen, von links nach rechts, Maren Schwier, Aljoscha Lennert, Florentine Schumacher und Timon Führ. Foto: Deul

Fabelhafter Auftakt der Burgfestspiele: Mit Mozarts „Entführung aus dem Serail“ gab es eine Premiere voller Tempo, Ironie und künstlerischer Leidenschaft.

Bad Vilbel. Gar nicht so einfach, Mozarts 1782 erstaufgeführtes Werk vom Dreistunden-Original auf knapp die Hälfte zu illustrieren – und das als Kinder-Oper. Doch Benedikt Borrmann gelang es, die Quintessenz des Werkes des damals erst 26-jährigen Komponisten zu erhalten – und sie als west-östliche Abenteuergeschichte zu gestalten.

Dabei ist es keineswegs ein Handicap, den Klassiker als „Theater für Kinder“ zu spielen, denn die Reduktion öffnete den Blick auf das Wesentliche. Statt dem Jannitscharenchor gibt es einen Erzähler. Mit geschickter Stilisierung bringt Borrmann die Erzählung auf die Bühne. Es beginnt mit einem scherenschnittartigen Bild, einem blauen Vorhang als Ozean, einem Schiff, plötzlich Piraten, die es entern. Und einem Helden, Belmonte (Steffen Schwendner), der sich retten kann. Doch seine Freundin Konstanze (Vanessa Diny) sowie das befreundete Pärchen Petrillo (Johannes Mayer) und seine „Blonde“ (Julie Grutzka) haben Pech, werden auf dem Sklavenmarkt an den Haushofmeister Osmin (Il-Hoon Choung) verkauft, dem Hüter des Palastes von Fürst Bassa Salim (Damjan Batistic).

Die Handlung fächert sich in drei Facetten auf. Da sind zum einen die wagemutigen, stets auch tollpatschigen Versuche Belmontes, zu seinen Freunden vorzudringen. Aber es gibt, wie bei Mozart, auch die Ebene von der Begegnung der Kulturen, von der Entdeckung des Morgenlandes. Pedrillo findet zwar die Sprache fremd, die Menschen aber alle gleich – und die türkische Küche, das Köfte, lecker.

In Borrmanns Inszenierung liegt hinter den heiteren Katz- und Maus-Spielen eine tiefere Bedeutung. Er spielt Mozarts Flirt mit der osmanischen Kultur weiter und platziert einen Saz-Musiker mit auf die Bühne, wo sich Mozart noch auf Becken, Große Trommel („Türkische Trommel“), Piccoloflöte und Triangel beschränkte. Auch die Charakterisierung der Akteure ist abgewandelt. Die Todesdrohungen Osmins sind eher sketchartig, wenn er Belmont wild umkreist: „Erst geköpft, dann gehangen“. Geschickt baut die Regie Rollenklischees auf, um sie dann beherzt zu konterkarieren. Die „Blonde“ wird als wandelnde Barbie eingeführt, aber sie erweist sich als resolut und selbstbewusst.

Osmin, der sich auf der Bühne in den Mittelpunkt spielt, ist die Karikatur des heißspornigen Machthabers, während der eigentliche Fürst Bassa Selim nachdenklich und liebeskrank erscheint. Am Ende wird er die Fremden freilassen, weil ihn deren Liebe und Freundschaft berühren und Allah „allverzeihend“ sei. Diese versöhnliche Botschaft bringt das Ensemble mit Spielfreude auf die Bühne, wobei bisweilen neckische Rivalitäten zu den mit viel Niveau interpretierten musikalischen Partien passen.