
Im Eingangsbereich der St. Bonifatius Kirche standen sie am 11. September nebeneinander und begrüßten die neuen Fünftklässler zur interreligiösen Feier am Anfang des Schuljahres: ein katholischer Pfarrer, ein evangelischer Pfarrer, der Gemeindepädagoge und der Hodscha der türkischen Gemeinde. Klasse für Klasse zogen die Kinder in die Kirche ein und wurden von den Geistlichen begrüßt. Jedes Mal, wenn ein Kind „seinen“ Pfarrer erkannte, hat man sich besonders herzlich begrüßt. Das galt natürlich auch für die muslimischen Kinder und ihren Hodscha.
Als schließlich alle saßen und dem ersten Musikstück gelauscht hatten, sagte ich folgende Worte: „In diesem Gottesdienst beten Christen und Muslime nebeneinander und feiern gemeinsam diese interreligiöse Feier. Christen und Muslime haben zwar nicht die gleiche Religion, aber wir respektieren und achten uns gegenseitig. Darum bitte ich alle Christen zuzuhören, wenn die Muslime beten, und alle Muslime zuzuhören, wenn wir Christen beten.
Zwischen allen Gebeten und Suren gibt es viele Dinge, die wir gemeinsam tun können. So werden wir die Geschichte von der Stillung des Sturmes zum Anlass nehmen, gemeinsame Plakate zu gestalten, wo jeder in ein Paddel schreiben kann, was sein Beitrag zu einem guten Schuljahr für die ganze Klasse sein kann.“ Schließlich kam der Moment, wo der Hodscha begann eine Sure zu rezitieren.
Für viele christliche Schüler war das sehr ungewohnt. Sie hatten dies noch nicht gehört und der Gesang klang fremd in ihren Ohren. Da es in Arabisch war, verstanden sie die Worte auch nicht. Dass die Übersetzung gleich darauf kommen würde, wussten sie. Dennoch machte sich bei einzelnen Unruhe breit. Spannung war zu spüren. Als schließlich der letzte Teil der Sure gesungen war, entstand eine Stille. Keiner konnte sie so recht erklären. Dann auf einmal zuerst zaghaft und dann immer stärker anhaltender Applaus aller Schüler.
In diesem Moment löste sich im Guten eine Spannung. Ich bekam Gänsehaut, weil zu spüren war, wie die Schüler intuitiv honorierten, was hier zu erleben war: Etwas Gemeinsames fand zusammen, nämlich verschiedene Religionen und Konfessionen mit einem gemeinsamen Ziel, das Schuljahr für alle Schülerinnen und Schüler segensreich werden zu lassen; miteinander lernen, gegenseitig sich helfen und sowohl bei Lebensstürmen als auch bei Sonnenschein auf Gott, Allah oder Adonai zu vertrauen.
Da wir alle in einem Boot sitzen, wünsche ich alle Mitbürgern gleich welcher Religion ein gutes gemeinsames Paddeln und Gottes Segen.
Herzlichst Ihr
Pfarrer Eckart Dautenheimer,
Burg-Gräfenrode + Okarben