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Rebellische Jugend

Ausgelassene Stimmung im Publikum bei Premiere „Summer in the City“

Das Ensemble begeistert: In „Summer in the City“ wird die Geschichte zweier Familien vor dem Hintergrund der bunten Welt der 1960er Jahre mit politischem Aufbruch, Drogen, freier Liebe und viel Flower-Power erzählt. Foto: Eugen Sommer
Das Ensemble begeistert: In „Summer in the City“ wird die Geschichte zweier Familien vor dem Hintergrund der bunten Welt der 1960er Jahre mit politischem Aufbruch, Drogen, freier Liebe und viel Flower-Power erzählt. Foto: Eugen Sommer

Auf eine kurzweilige Zeitreise in die 60er-Jahre lädt die Revue „Summer in the City“ das Publikum der Bad Vilbeler Burgfestspiele ein. Hier treffen Revoluzzer und Hippies auf Spießer, Flower-Power und freie Liebe auf Prüderie und Verklemmtheit, deutsche Schlager auf Popmusik.

Bad Vilbel. Kaum ein Jahrzehnt hat das Nachkriegs-Deutschland politisch und gesellschaftlich so geprägt und verändert wie die 1960er Jahre. Mauerbau und Kalter Krieg, Mondlandung, eine neue Ära der Popkultur, modische, technische und kulturelle Revolution, Hippiekult, Drogen, APO, Emanzipation der Frau, sexuelle Aufklärung und freie Liebe sind nur einige Schlagworte, welche die ereignisreiche Dekade skizzieren.

Stoff genug also, um ganze Bibliotheken zu füllen. Regisseur Christian H. Voss hat mit seinem Ensemble gerade einmal 110 Minuten Zeit, den „Mief“ der Adenauer-Ära, Aufbruch und Veränderung, die Politisierung der Gesellschaft und Rebellion der Jugend auf die Bühne zu bringen.

Beste Unterhaltung

Gelungen ist es ihm, indem er zeitgeschichtliche Ereignisse als Zitate und Szenen in eine Liebesgeschichte einbaut, die er mit passender Musik, Gesang und Tanz zu einem stimmigen Ganzen arrangiert.

Die Zuschauer werden bestens unterhalten mit einem originellen Mix aus Schauspiel, Musik und Tanz. Die inhalts- und handlungs-reiche Revue wird durch mitreißende Musik und wilde Tanzeinlagen, bei denen ab und zu weniger mehr gewesen wäre, vorangetrieben.

Die Story dreht sich um die Liebe zwischen der bürgerlich-konventionell erzogenen Bäckerstochter Sabine Braun, von Sarah Laminger gespielt, und dem „unter langhaarigen Bombenlegern“ groß gewordene Intellektuellensohn Michael König, dem Krisha Dalke Stimme und Temperament verleiht. Sabine ist schwanger und das Paar wünscht sich für ihre Verbindung den Segen der Eltern.

Die Katastrophe beim Treffen der Paare – „es ist so als würde Chruschtschow mit Kennedy zur Tanzparty gehen“ – sind durch gegensätzliche Werte und Lebensentwürfe vorprogrammiert. Der lebenslustige Ethnologe Johannes König, den Theodor Reichardt als Freigeist spielt, und seine Frau, die emanzipierte Botanikerin Anni Koch-König, die Susanne Rögner als moderne, erfolgreiche Frau zeigt, leben in einer Kommune. Sie pflegen einen freien Lebensstil, konsumieren halluzinogene Drogen, feiern den politischen Aufbruch, praktizieren als aufgeklärte Anhänger von Oswald Kolle freie Liebe und favorisieren tantrischen Sex mit Massage- und Atemtechniken.

Das krasse Gegenteil verkörpern der spießige Patriarch Ernst Braun, humorvoll gespielt von Kai Möller. Das konventionelle wie eintönige Leben der Brauns spielt sich zwischen der Arbeit in der Bäckerei und familiärer Häuslichkeit ab.

Treffen eskaliert

Ursula Braun, dargestellt von Silke Dubilier, verkörpert das traditionelle Frauenbild der 1960er Jahre. Sie kümmert sich um Mann, Tochter und Haushalt. Das Treffen der Eltern eskaliert in einem argumentationsreichen musikalischen Schlagabtausch. „Du musst stark sein“, fordert Ernst Braun seine Ursula und sich selbst auf. Die Hippies und Revoluzzer der Kommune antworten mit „Born to be wild“.

Gegen die Vorurteile der bürgerlichen Fraktion singen die Kommunarden Frank (Martin Planz), Brigitte (Stefanie Smailes), Hannelore (Janne Marie Peters), Ed (Vicco Farah) und Klaus (Stefan Reil) mit den Ensemblemitgliedern Marlou Düster, Rachele Pedrocchi, Eric Vilhelmsson und Janina Maria Wilhalm mit der Internationalen „Völker, hört die Signale“ an. Getreu der Devise „Make love not war“ bringt Ursula, angeregt mit sexuellen Tipps von Anni, ihre Eheprobleme mit dem Rolling-Stones-Hit „I can’t get no satisfaction“ zur Sprache.

Wer sich fragt, wie man eine Sexorgie auf einer Open-Air-Bühne vor erwartungsvollem Publikum inszeniert, darf gespannt sein. Das Premierenpublikum feiert das Ensemble ausgelassen mit tosendem Applaus und Zugaberufen.


Charme und Zeitgeist der 60er-Jahre transportiert die Revue mit bekannten Songs, die bis heute eine enorme Faszination ausüben. Bereits vom ersten Lied an bildet das Premierenpublikum einen laut mitsingenden und klatschenden Chor. Der Titel der Revue „Summer in the City“ ist ein Millionenseller der Popband The Lovin’ Spoonful aus dem Jahr 1966. Zu hören sind Hits der Rolling Stones, „Satisfaction“; The Doors, „Come on baby, light my fire“;, der Beatles, „All you need ist love“; Beach Boys, „Good Vibrations“; The Ronettes „Be My Baby“ und The Who, „My Generation“. Die herbeigeklatschte Zugabe wird mit „Blowin’ in the Wind“ von Bob Dylan gegeben. (fau)