Der Bus hält. Ein Mann sitzt am Steuer. Ein anderer lehnt seinen Kopf an die Gitterstangen hinter dem zurückgeschobenen Fenster. Der Bus nach Nagpur? Der Mann wackelt mit dem Kopf. Der andere lässt den Motor aufheulen. „Kein Bus?“, frage ich in meinen wenigen Worten Hindi und ernte Schweigen. Bloß der Kopf wackelt.
In den vergangenen Wochen bin ich hier in Maharashtra, einem Bundesstaat in Indien, oft auf diese Kopfbewegung gestoßen. Vor Ticketschaltern, in Geschäften, auf der Straße. Dieser indische Alltagsausdruck reicht in seiner Semantik vom sachlichen „Ja“ über „Vielleicht“ bis zu einer Andeutung von „Weiß ich nicht!“ oder „Mir egal!“. Die Hälfte meines Sabbathalbjahres in Indien ist so gut wie vorüber, ich befinde mich auf dem Rückweg vom Dorf in die Stadt. Ich stehe an der ausgebauten Straße in Butibori, einem Dorf bei Nagpur, wo mich der Jeep abgesetzt hat. Hunde streunen herum, hinter mir verkauft ein Mann einen Straßensnack, es riecht nach Abgasen. Eine Kuh liegt mitten auf der Straße. Gleißendes Licht fällt auf die Fahrbahn und vermischt sich mit dem feinen Staub, der von den Ladeflächen unzähliger Lkw weht. Was machst du hier? Mittlerweile sitze ich auf einer der Bänke im Bus. Jetzt fragt einer der zugestiegenen College Schüler, was ich mich anfangs selbst manchmal gefragt habe. Jede Woche bin ich aufs Dorf gefahren, habe stotternde Gespräche mit den Mitarbeitern des Sangam geführt, mich bemüht, die Fremdheit irgendwie zu meistern und eine von denen zu werden, die Indien verstehen. Es wird leichter. Mit jedem liebenswerten Menschen ein bisschen mehr. „Kommst du gerade vom Unterricht?“, frage ich zurück und kenne die Antwort, bevor ich ihn anschaue: Kopfwackeln.
Als Lehrerin wird mir manchmal das Herz schwer. Die allgemeine Bildungssituation auf den Dörfern ist desolat. Noch immer gehen zu wenige Kinder überhaupt zur Schule. In manchen staatlichen Schulen fällt der Unterricht aus, weil die Lehrkraft nicht erscheint. In Bamhani drängen sich bis zu 35 Mädchen und Jungen auf dem Teppich am Boden und sprechen im Chor der Lehrerin nach. Immerhin, denn in der Schule der NGO erhalten sie wenigstens Grundkenntnisse in Marathi, Hindi und Englisch und lernen die Ziffern. Der Ecumenical Sangam ist eine Partnerorganisation der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit in Frankfurt und ermöglicht Kindern aus unteren sozialen Schichten den Kindergarten und Schulbesuch. Für viele Kinder ist dies die einzige Möglichkeit, Bildung zu erhalten. Ihr Weg in eine bessere Zukunft.