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Über den Tod sprechen

Das Interesse am ersten Letzte-Hilfe-Kurs in Bad Vilbel ist groß. Cathrin Helmling und Andreas Reiland gestalten das Angebot. Foto: Kauer
Das Interesse am ersten Letzte-Hilfe-Kurs in Bad Vilbel ist groß. Cathrin Helmling und Andreas Reiland gestalten das Angebot. Foto: Kauer

Bad Vilbel. (cka) Über das Sterben und den Tod wird gerne geschwiegen. »Es ist ein Thema, das nicht gesellschaftsfähig ist«, sagt Cathrin Helmling. Sie gehört wie Andreas Reiland der Hospizgruppe der Nachbarschaftshilfe Bad Vilbel an, die schwer kranke und sterbende Menschen und deren Angehörige begleitet. Menschen, die Letzte Hilfe benötigen – die Begleitung am Lebensende und Maßnahmen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen mit dem Ziel, Leid zu lindern und Lebensqualität zu erhalten.
Andreas Reiland ist ausgebildeter Hospiz- und Sterbebegleiter, Cathrin Helmling ist ausgebildete Krankenschwester und Palliativfachkraft in einem Heilsberger Pflegeheim. Ihr Wissen und ihre Erfahrung gaben beide nun erstmals in einem Letzte-Hilfe-Kurs im Haus der Begegnung weiter.
»Wir machen uns große Sorgen rund um die Geburt und haben ein gutes Erste-Hilfe-System, doch die Letzte Hilfe ist ebenso wichtig«, so Cathrin Helmling.
Das sahen 15 Interessierte ähnlich. Die Beweggründe, am Kurs teilzunehmen, reichten von Unsicherheit bis zum Wunsch, im Akutfall vorbereitet zu sein und ein Gefühl dafür zu bekommen, was Menschen am Lebensende brauchen. »Es ist schwierig, sich über das Thema zu informieren«, sagte eine Teilnehmerin. Und auch hier setzt der Letzte-Hilfe-Kurs an: Er möchte das Sterben und den Tod enttabuisieren, breiter in die Öffentlichkeit tragen sowie Orientierung und praktische Tipps geben.
Mit dem Sterben als Teil des Lebens ging es los. Der Sterbeprozess beginne mit körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Veränderungen, erklärte Cathrin Helmling. Die können Angehörige oder Nahestehende irritieren. Dann sei es wichtig, Entscheidungen der Sterbenden, so ungewöhnlich sie auch erscheinen mögen, zu respektieren und »immer den Menschen die Würde zu lassen«, wie Andreas Reiland betonte.
Nötig sei es, sensibel zu sein, Bedürfnisse und den Bedarf an Hilfe zu erkennen. Und Angehörige sollten, wenn sich die Gelegenheit ergibt, über Sterben, Tod und Trauer reden, auch ganz praktisch. »Vorsorgen und entscheiden« war dann auch das zweite Thema, das sich mit Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten befasste. Dass man sich damit so früh wie möglich auseinandersetzen und sich gut informieren sollte, um die passenden Entscheidungen zu treffen, darüber waren sich alle Kursteilnehmenden einig.
Kleine Dinge können Leiden lindern
Beim Thema »Leiden lindern« wiesen Cathrin Helmling und Andreas Reiland darauf hin, dass man über die Letzte Hilfe das eigene Leben nicht vergessen dürfe, denn »nur wer gut für sich selbst sorgt, kann auch gut für andere sorgen«. Die einfachste praktische Letzte Hilfe sei das Da-sein, das sei schon viel wert. Aber auch andere kleine Dinge könnten Leiden lindern, etwa sanfte Bewegung, Entspannung, Musik oder Aromen.
Dass man dabei unterschiedliche Vorlieben berücksichtigen muss, veranschaulichte Andreas Reiland mit Handcremes, die er in kleinen Tuben verteilte und bei denen sich schnell zeigte: Was für den einen gut riecht, stinkt für andere. Ganz praktisch wurde es bei der Mundpflege. Dabei ging es nicht ums Zähneputzen, sondern alle konnten ausprobieren, ob sie mithilfe von Mundpflegestäbchen anderen die Lippen oder den Mund befeuchten können. Der Hintergrund: Im Sterbeprozess werden die Schleimhäute nicht mehr durchblutet, Lippen und Mund werden trocken.
Mit dem Thema »Abschied nehmen« endete der Kurs. Es gab nicht nur Hinweise, was nach Eintritt des Todes eines Menschen zu tun und vorgeschrieben ist – die Leichenbeschau und die Todesbescheinigung –, es ging auch um den individuellen Prozess des Trauerns: »Die Trauer dauert. Und sie dauert so lange, wie sie dauert«, stellte Cathrin Helmling fest. Wie hilfreich andere dabei sein können, erarbeiteten die Teilnehmenden gemeinsam mit dem Ergebnis: Je konkreter und verbindlicher die Anteilnahme ist, umso hilfreicher ist sie für Trauernde. Die Letzte-Hilfe-Kurse wurden initiiert von der gemeinnützigen »Letzte Hilfe Deutschland GmbH« und folgen einem europaweiten Standard. Die Kurse sind kostenfrei. Medizinische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Hospizgruppe der Nachbarschaftshilfe plant, sie künftig regelmäßig anzubieten.