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Was sich damals zutrug – Ortsbeirat und Landfrauen unternehmen historischen Rundgang durch Kilianstädten

Hört, ihr Leute! Begebenheiten aus vergangenen Tagen erfahren die Teilnehmer einer historischen Führung durch Kilianstädten. Foto: Seifert
Hört, ihr Leute! Begebenheiten aus vergangenen Tagen erfahren die Teilnehmer einer historischen Führung durch Kilianstädten. Foto: Seifert

Viel hat sich in Kilianstädten im Lauf der Jahrhunderte ereignet. Eine Menge Unterhaltsames erfuhren die über 200 Teilnehmer der Führung von Ortsbeirat und Landfrauen, gehalten in Mundart aus Anlass von 1175 Jahre Kilianstädten.

Schöneck. Nach der Begrüßung durch den Ortsvorsteher Thorsten Weitzel und Landfrauenvorsitzende Ellen Kurzweg am Bürgertreff wurden die Einheimischen und auswärtigen Besucher in drei Gruppen aufgeteilt und zu den insgesamt fünf Stationen des Rundgangs geführt. 839 schenkte Ludwig der Fromme seinem Getreuen Eckehardt den Ort, dessen Namen vermutlich auf den irischen Missionar Kilian zurückgeht, der auch Schutzpatron des Dorfes ist.

Lange zum Gebiet derer von Hanau zugehörig, fiel Kilianstädten 1736 an die Landgrafen von Hessen-Kassel und wurde 1971 mit Oberdorfelden und Büdesheim zum neuen Ort Schöneck fusioniert. An der alten Schmiede in der Untergasse, die noch genauso eingerichtet ist, wie Konrad und dessen Sohn Heinrich Emmerich sie verlassen haben, erfuhren die Teilnehmer, das dort vor allem Pferde beschlagen, aber auch Wagenräder und Wagenkästen repariert wurden. 33 Rösser seien im letzten Weltkrieg in Kilianstädten zwangsenteignet worden, keines sei zu seinem Besitzer zurückgekehrt.

Wieder aufgebaut

Wie überhaupt Kilianstädten oft unter kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden hatte, zerstört, ausgeplündert, aber immer wieder aufgebaut worden sei. Allerdings nur teilweise, erzählte eine weitere in historische Tracht gekleidete Landfrau an der nächsten Station Freier Platz oder korrekt Platz der Republik. Dieser Platz sei die Trennlinie zwischen Ober- und Unterdorf gewesen, das erste Rathaus habe hier gestanden. Nach dem Dreißigjährigen Krieg sei das Unterdorf aufgegeben worden.

Zell, eine Spezialität aus früheren Zeiten gab es dort zu verkosten, an der Schmiede waren die Teilnehmer bereits mit „Löschwasser“, einem klaren Schnaps, verwöhnt worden. Fehlen durfte auch nicht die Anekdote vom Gänsehirten, der Trompete spielen konnte, seine Lieder beim Pflastern in Hanau von den dort stationierten Soldaten gelernt hatte und beim Kaisermanöver rund um Kilianstädten beim plötzlichen Auftauchen von Berittenen so erschrak, dass er das Signal „Der Krieg ist aus“ blies. Als Spion festgenommen, wurde ihm aber seine Geschichte abgenommen und er wieder auf freien Fuß gesetzt. Dass ein Schultheiß früher eine ganze Reihe von Funktionen wie Ortsvorsteher, Staatsanwalt, Gerichtsvorsitzender, Gefängniswärter, Gendarm und später Standesbeamter auszufüllen hatte, erzählte eine als Schultes verkleidete Landfrau vor dem Rathaus.

Allerdings gab es unter den Oberhäuptern auch schwarze Schafe. Die Gebäude im Herrnhof dienten früher der Weinkelterei und Lagerung, über 200 Hektar Weinberge wurden bewirtschaftet und der Rebensaft aus Kilianstädten 1842 sogar als „der beste Wein aus der Provinz Hanau“ bezeichnet. Ein später bei Kanalbauarbeiten entdeckter Tunnel, so der Schultheiß, gebe bis heute Rätsel auf. Es werde sogar vermutet, dass er ein geheimer Gang zwischen den einst in Kilianstädten existierenden Klöstern für Nonnen und Mönche gewesen sei.Daten, Fakten und Anekdoten zuhauf bekamen die Teilnehmer auf dem rund zweistündigen Rundgang präsentiert. So auch am Schulhaus, heute das Technische Rathaus.

Erst im 14. Jahrhundert hätten die Pfarrer begonnen, den Kindern Lesen und Schreiben beizubringen. Immer wieder mussten neue Schulhäuser gebaut werden, weil die alten die Zahl der Kinder nicht mehr aufnehmen konnten. Am Brunnen hinter der Schule hätten die Kinder ihr trockenes Brot angefeuchtet und mit Zucker bestreut. Nutella sei ja erst viel später erfunden worden, fügte sie schmunzelnd hinzu. Um an die eigene Einschulung zu erinnern, erhielt jeder Teilnehmer eine Mini-Schultüte mit einen Schokobonbon als Inhalt geschenkt.

Letzte Station war die von 1738 bis 1741 gebaute Kirche, die an der Stelle einer Vorgängerkapelle erbaut worden ist. 1826 bei einem Blitzeinschlag stark beschädigt und wieder aufgebaut, wurde das Gotteshaus bis 1971 von beiden Konfessionen genutzt. Die 1952 aufgehängten und mit Psalmen verzierten Glocken läuten heute noch. Da die Führung am Vortag der Kilianstädter Kerb stattfand, die heute allerdings nicht mehr gefeiert werde, hatten Landfrauen und Ortsbeirat den Kirchplatz zum Kerbplatz umfunktioniert, wo die Teilnehmer der Führung das Gesehene und das Gehörte zünftig bei Kilianstädter Bier und Würstchen Revue passieren lassen konnten.