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Die Pandemie und das Dorfleben

Kreativität ist gefragt im Pandemie-Jahr. Statt des Weinfests für alle im Dorf hat der Heimat- und Kulturverein Burg-Gräfenrode seine Mitglieder zur Weinwanderung eingeladen. Foto: Kötter/ Archiv
Kreativität ist gefragt im Pandemie-Jahr. Statt des Weinfests für alle im Dorf hat der Heimat- und Kulturverein Burg-Gräfenrode seine Mitglieder zur Weinwanderung eingeladen. Foto: Kötter/ Archiv

Karben. »Jahreshauptversammlung 2020: fällt aus. Vatertag auf dem Sportplatz: fällt aus. 50 Jahre Stadt Karben: fällt aus.« Die Startseite des Turnvereins Okarben (TVO) zeigt, wie die Corona-Pandemie das Leben auf den Kopf gestellt hat.
»Definitiv hat das Coronavirus so einiges von uns Vereinen abverlangt«, sagt Vorsitzender Sebastian Wollny. »Durch die Beschränkungen in der Corona-Krise ist das Vereinsleben komplett zum Stillstand gekommen, und das erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg.«
In Okarben ist die Kerb abgesagt, der Weihnachtsmarkt steht »auf der Kippe«, in Burg-Gräfenrode hat die Feuerwehr ihr traditionelles Sonnwendfeuer im Juni abgeblasen, der Heimat- und Kulturverein (HeKu) verzichtet auf die Feier des 15-jährigen Vereinsjubiläums im Oktober, die Chorgemeinschaft Rendel musste ihr beliebtes Weinfest absagen – die Liste ist lang.
Gerade dort, wo Angebote ohnehin schon rar sind – in den kleineren Stadtteilen Karbens –, fallen damit bedeutende Bausteine im Dorfleben weg: Einerseits in Form regelmäßiger Angebote wie Sport- oder Singstunden, Gottesdienste und Seniorenkreise, Vorstandssitzungen oder Stammtische, anderseits in Form der Feste.
Vor allem ältere Bürgerinnen und Bürger bekommen das oft zu spüren. Ein Beispiel: Gesangvereine. »Unsere Mitglieder gehören wegen ihres Alters zum großen Teil selbst zur Risikogruppe«, erklärt Heike Ebert für die Heimatliebe Burg-Gräfenrode. Die Proben pausieren daher vielerorts weiter. Die Chorgemeinschaft Rendel probt seit Juli wieder »vorsichtig und streng nach Hygienekonzept«.
Seniorentreff open air
Auch die von den Kirchengemeinden organisierten Seniorentreffen und Geburtstagsbesuche setzten und setzen in Teilen noch aus – ein »herber Schlag«, erklärt Nadia Burgdorf, Pfarrerin in Rendel.
»Zwar sind viele ältere Menschen hier in Rendel familiär gut versorgt. Aber es kommt schon häufiger vor, dass ich bei einem Geburtstagsbesuch fast die einzige Person bin, die an diesem Tag bei einem Menschen vorbeikommt.« Auch Ina Lauster-Ulrich, Kirchenvorstandsmitglied für Burg-Gräfenrode, sieht eine gute Versorgung der Älteren und damit – auch in Zeiten wegfallender Angebote – keine »Gefahr der Vereinsamung«. »Dazu sind die Menschen in unseren dörflichen Strukturen zu gut vernetzt, sei es beim Plausch mit den Nachbarn oder beim Treffen auf dem Friedhof«, beobachtet sie.
Nichtsdestotrotz: Dass die Seniorentreffen im Stadtteil nun wieder unter freiem Himmel angeboten werden, habe alle sehr gefreut. »Es war für alle Teilnehmer schön, mal wieder beisammen zu sein.« Noch härter als die Hochbetagten habe es mitunter junge Familien getroffen, beobachtet Pfarrerin Burgdorf für Rendel: Auch die Eltern-Kind-Gruppe der Gemeinde mit fast 20 Teilnehmenden konnte sich zuletzt nicht mehr treffen. »Einige Mütter waren recht neu in Karben und Rendel und suchten dringend Anschluss.«
Und auch mit Blick auf die Feste als besondere Höhepunkte des Dorflebens fehlt aktuell etwas. »Die Dorffeste stehen bei vielen im Terminkalender, an denen man mit seinen Nachbarn zusammenkommen kann, sich unterhalten und zusammen feiern kann«, weiß Wollny. Der Turnverein feiert seit rund 15 Jahren den Vatertag, der 1. Mai hat sich für den Obst- und Gartenbauverein zur Traditionsveranstaltung gemausert. Mit dem Ausfall brechen auch Einnahmequellen für die Vereine weg.
neuer Wege
Umso wichtiger war sowohl Vereinen als auch Kirchengemeinden, neue Wege zu finden: Der TVO hat früh ein Online-Sportangebot auf die Beine gestellt, der HeKu hatte im Juli anstelle des ausgefallenen Roggauer Weinfestes zu einer Weinwanderung geladen, und Nadia Burgdorf und ihr Team haben den hochbetagten Geburtstagskindern in Rendel einen Brief eingeworfen – mit dem Angebot eines nachzuholenden Besuchs. »Das haben einige angenommen und sich gemeldet.« Auch in Roggau wurden die Senioren mit gedruckter Andacht und selbst gebackenem Kuchen versorgt.
Das Online-Angebot sei durchaus wahrgenommen worden, beobachtet Vereinschef Wollny. Er habe keine einzige Abmeldung verbucht. Stattdessen blicke man in die Zukunft: In Rendel etwa steht bereits der Weinfest-Termin für 2021 (3. bis 5. September).

Vereinsalltag mit Abstandsregeln
Vereine als auch Kirchengemeinden haben ihre Angebote langsam wieder aufgenommen. Gottesdienste finden wieder statt; in Burg-Gräfenrode treffen sich die Kirchensenioren im Pfarrgarten. Auch die September- und Oktober-Termine sollen je nach Pandemie-Lage angeboten werden, über den Termin werde kurzfristig anhand des Wetters entschieden.
Vereine kehren teils zu Präsenzangeboten zurück: Beim TV Okarben etwa können neben den Online-Angeboten wieder alle Sportarten angeboten werden. In den Zumba-Kursen markieren Kästchen auf dem Boden die Abstandsregeln. Die Chorgemeinschaft Rendel probt seit Juli wieder im Dorftreff Rendel. (jkö)