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Eine Kita-Studie macht Stress

Landesrechnungshof schlägt vor, bei Kitas 2,2 Millionen Euro zu sparen – Weniger Qualität, mehr Gebühren

Stecken bei den Kitas im Zwiespalt zwischen Qualitätsanspruch und Wirtschaftlichkeit (von links): Jörg Heinz, Heike Freund-Hahn, Carolin Hartmann und Thomas Stöhr. Foto: Deul
Stecken bei den Kitas im Zwiespalt zwischen Qualitätsanspruch und Wirtschaftlichkeit (von links): Jörg Heinz, Heike Freund-Hahn, Carolin Hartmann und Thomas Stöhr. Foto: Deul

In die Zwickmühle gerät die Stadt bei der Kita-Betreuung. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung fordert dort höhere, einheitliche Qualitätsstandards. Nun hat der Landesrechnungshof die Bad Vilbeler Einrichtungen durchleuchtet und siebenstellige Einspar-Potenziale beim Personal sowie Gebührenerhöhungen gefordert. Die Stadt versuche, Qualität zu halten, ohne Eltern weiter zu belasten, verspricht Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU).

Bad Vilbel. Der Titel ist spröde: „Vergleichende Prüfung ,Kinderbetreuung‘ im Auftrag des Präsidenten des Hessischen Rechnungshofs“ heißt das 118-seitige Dokument, das derzeit in Kitas und der Sozialverwaltung für Aufregung sorgt. Viel Zeit opferten die Mitarbeiter für die Datenerhebung 2014, in der zwölf Kommunen verglichen wurden. Es waren neben Bad Vilbel Friedberg, Maintal, Hofheim, Kelkheim, Oberursel, Taunusstein, Pfungstadt, Lampertheim, Mörfelden-Walldorf, Bensheim und Viernheim.

Solche Untersuchungen gibt es regelmäßig, die Kitas sind das Thema Nummer 191, nach Themen wie der Stellplatzablöse. Die Ergebnisse seien nicht bindend für die städtischen Gremien. Aber sie bergen ein Risiko. Denn wenn der Landesrechnungshof sich auf Mindeststandards in der Betreuung beruft, könnten Mehrkosten bei angespannten Finanzen durchaus zu Konflikten bei der Haushaltsgenehmigung führen. Auf Nachfrage konnte Stöhr dieses Risiko nicht von der Hand weisen. Zuständig sei die Kommunalaufsicht beim Landrat.

Auf 33 kommt es an

Dabei hatte die Studie auch ihr Gutes. Sie zeige der Verwaltung: „Wo stehe ich überhaupt“, erläutert Sozialdezernentin Freund-Hahn (FDP). Und da stehe Bad Vilbel sehr gut da. Attestiert wird ein städtischer Zuschuss von 2700 Euro pro Kita-Kind und Jahr – in Mörfelden-Walldorf seien es 4396 Euro. Zudem liege Bad Vilbel mit einem Betreuungsschlüssel von 2,53 über dem Durchschnittswert von 2,73 Erziehern. Auch die Auslastung der städtischen Kita-Plätze sei mit 88 Prozent sehr gut, denn die Stadt müsse wegen der Kitaplatz-Garantie auch Plätze vorhalten.

An dieser Stelle bestätige der Rechnungshof sogar die Bertelsmann-Studie, die moniert, bundesweit gebe es zu geringe Personalschlüssel, um den Erziehern pädagogische Qualität zu ermöglichen. Der Rechnungshof zitiert die Studie, wonach es von 2012 bis 2013 in Bad Vilbel 110 neue Kita-Kinder gegeben habe und der Kita-Ausbau „sachgerecht“ sei. Aber er ist noch nicht abgeschlossen.

Erzieher gesucht

Aktuell suche die Stadt zehn weitere Erzieher, teilt Freund-Hahn mit – was für den Landesrechnungshof weitere Defizite sind. Erzieher seien schwer zu finden, Nachbarkommunen wie Frankfurt zahlten Aufschläge für nicht immer erkennbare „soziale Brennpunkte“. Die gebe es nun mal in Bad Vilbel nicht, so Stöhr. Auch im Wetteraukreis werde überall strikt nach Tarif entlohnt. Doch statt auf Ausbau setzt der Rechnungshof auf Reduzierung. Die brisanteste Zahl in dem Bericht ist die „33“. Auf ein Drittel sollen die Gebührenanteile der Eltern steigen. Derzeit sind es in Bad Vilbel 25 Prozent – und damit liege die Stadt im oberen Bereich, so Stöhr. Hinzu komme, dass dieser Anteil stark variiere. Denn bei hoch verschuldeten Etats falle der Elternanteil geringer aus als bei schlanken. Was das bedeutet, lässt Freund-Hahn in zwei weiteren Zahlen aufleuchten. Genau 1 307 515 Euro Einsparpotenzial habe Bad Vilbel nach Ansicht des Rechnungshofes durch andere Tarife, Gebühren und dem Wegfall von Ermäßigungen. 840 669 Euro könnten freie Träger einsparen. „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, sagt Freund-Hahn.

Neu verhandeln

Zuvor hatte Stöhr als Kämmerer berichtet, allein für die Kitas flössen aus dem städtischen Haushalt jährlich knapp sieben Millionen Euro, das sei der größte Einzelposten. Dann erwähnte er, ein gleich hoher Anteil gehe in Sport- und Kulturförderung, das seien Bereiche, in denen Bad Vilbel bewusst Schwerpunkte setze.

Freund-Hahn stellt vorsichtig klar: „Ich habe nicht die Auffassung, dass wir uns an die 33 Prozent herantasten sollten.“ Dass die Stadt in Sachen Qualität Maßstäbe setze, solle so bleiben, verspricht Stöhr. Und die Eltern sollten nicht so belastet werden, „dass es nicht mehr tragfähig ist“, betont er. Konkrete Empfehlungen habe der Prüfbericht nur an einer Stelle gegeben, und zwar beim Geschwisterrabatt, der sich stark verteure, wenn ein Geschwisterkind abgemeldet werde. Das soll nun nachgebessert werden. Ab Herbst werde die Kita-Satzung neu gefasst, so Freund-Hahn. Erhöhungen der Gebühren sollen weitgehend vermieden werden, deutet die Dezernentin an. Andere Strukturen und Angebots-Module sollen für Einsparungen sorgen. Zusätzlich werden derzeit auch die Verträge mit den konfessionellen Trägern neu ausgehandelt, informiert sie. Bei der evangelischen Kirche soll es eine Kooperation mit Karben geben. Auch mit dem Bistum Mainz muss neu geregelt werden, etwa wie groß die Zuschüsse sein werden.

Die persönliche Überzeugung der Sozialdezernentin ist jedoch, dass Kitas eigentlich kostenlos sein sollten, äußert sie im Gespräch. Denn das sei „ein Bildungsauftrag, den wir als Gesellschaft haben“, und der wie die Schulen vom Bund zu finanzieren sei. Zunehmend gebe es Ein-Kind-Familien, wo den Kindern Sozialkontakte fehlten. Auch die Eltern könnten das nicht ausgleichen, seien beruflich immer stärker belastet – auch wegen der hohen Lebenshaltungskosten.

Dabei attestieren die Prüfer der Stadt eine gute Wirtschaftlichkeit: „Bezogen auf die Einwohnerzahl von 32 584, ergab sich ein Zuschussbedarf von 204 Euro je Einwohner. Die Stadt Bad Vilbel hatte im Vergleich eine unterdurchschnittliche Zuschusshöhe je Einwohner im Bereich der Kinderbetreuung (Median der zwölf Kommunen: 213 Euro) zu verzeichnen.“